Wahl des Legislativ-Yuans der Republik China (Taiwan) 2024

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Die Wahl des Legislativ-Yuans der Republik China (Taiwan) 2024 soll am 13. Januar erfolgen. Parallel dazu findet auch die Präsidentenwahl statt.[1] Angesichts der seit längerem zunehmenden Spannungen zwischen Taiwan und der Volksrepublik China sind die Wahlen auch von überregionaler Bedeutung.

Vorgeschichte

Zu den politischen Ereignissen seit 2020 siehe Präsidentenwahl in der Republik China (Taiwan) 2024#Ereignisse seit der letzten Wahl

Bei der letzten Wahl 2020 hatte die Demokratische Fortschrittspartei (DPP) sowohl das Präsidentenamt besetzt, als auch die Mehrheit der Mandate im Legislativ-Yuan, dem Parlament, gewonnen. Die Regierungen unter den Premierministern Su Tseng-chang (bis 31. Januar 2023) und Chen Chien-jen (ab 31. Januar 2023) konnten sich auf eine komfortable Mehrheit im Legislativ-Yuan stützen. Die Kommunal- und Regionalwahlen zur ungefähren Halbzeit der Legislaturperiode am 26. November und 18. Dezember 2022 endeten jedoch mit Gewinnen der beiden größten Oppositionsparteien, der Kuomintang (KMT) und der Taiwanischen Volkspartei (TPP). Die Kuomintang gewann die Oberbürgermeisterwahlen in den vier Millionenstädten Taipeh, Neu-Taipeh, Taoyuan und Taichung. Die DPP war nur in Kaohsiung und Tainan erfolgreich. Die KMT stellte nach der Wahl auch die Mehrheit der Landräte der 13 Landkreise. Die erst 2019 gegründete TPP konnte zwei Spitzenposten erobern – den Oberbürgermeisterposten in Hsinchu und den Landratsposten in Kinmen.[2][3] Infolge der Wahlniederlage trat die amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen von ihrem Amt als DPP-Parteivorsitzende zurück und auch Premierminister Su Tseng-chang gab sein Amt auf.

Am 10. März gab die Zentrale Wahlkommission den 13. Januar 2024 als Wahltermin bekannt.[1]

Wahlmodus

Der Legislativ-Yuan wird in einer Mischung aus Merhheits- und Verhältniswahl gewählt. 73 Abgeordnete werden in ebensovielen Ein-Personen-Wahlkreisen in relativer Mehrhheitswahl gewählt. Sechs Abgeordnete werden durch die Angehörigen der indigenen Völker Taiwans nach dem Modus der nicht übertragbaren Einzelstimmgebung gewählt (drei im Flachland, drei im Bergland). 34 weitere Abgeordnete werden in einer landesweiten Wahl über Parteilisten gewählt. Bei letzterer gilt eine Fünf-Prozent-Sperrklausel.

Politische Parteien

In Taiwan besteht seit der Demokratisierung des Landes ab dem Beginn der 1990er Jahre praktisch ein Zweiparteiensystem. Der sozialdemokratisch orientierten Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) steht die konservativ-wirtschaftsliberale Kuomintang (KMT) gegenüber. Daneben gibt es noch eine Reihe kleinerer Parteien. Nach den Parteifarben werden die Verbündeten von KMT und DPP gelegentlich auch als pan-blaue und pan-grüne Parteien bezeichnet

Kuomintang

Eric Chu (2017), KMT-Vorsitzender
Lai Ching-te (2020), DPP-Vorsitzender
Ko Wen-je (2013), TPP-Vorsitzender
Wang Wan-yu (2019), NPP-Vorsitzende

Während der Zeit der autoritären Einparteienherrschaft der Kuomintang in Taiwan vertrat diese einen strikten Ein-China-Standpunkt mit dem Ziel einer Vereinigung mit dem Festland nach dem Sturz der dortigen kommunistischen Herrschaft. Forderungen nach einer einseitigen Unabhängigkeit Taiwans wurden als Straftat geahndet. Seit der Demokratisierung und der Etablierung eines Mehrparteiensystems ab Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahren wurde die Frage des staatsrechtlichen Status von Taiwan zur dominierenden Frage bei parteipolitischen Auseinandersetzungen in Taiwan. Die KMT beharrt bis heute auf der Grundidee einer unteilbaren chinesischen Nation, zu der das Gebiet der Volksrepublik China und Taiwan gehören (früher erhobene Ansprüche auf weitere Gebiete, beispielsweise der ganze Mongolei, wurden schon vor etlichen Jahren aufgegeben). Eine weitere grundlegende Säule des Parteiprogramms ist der Antikommunismus. Die Partei muss daher den Balanceakt vollbringen, einerseits die Entwicklung Taiwans zu einer eigenständigen Inselnation zu blockieren, aber andererseits den Pekinger Alleinvertretungsanspruch für China, der Taiwan zu einer „abtrünningen Provinz“ der Volksrepublik China erklärt, abzuwehren.[4] Politische Gegner der KMT machen ihr die Vergangenheit als Trägerin eines repressiven autoritären Regimes zum Vorwurf. Einige Kritiker sehen in der KMT keine „taiwanische“ Partei, sondern eine „chinesische“ Partei, die auf dem Festland entstanden sei und deren Führungskader sich lange Zeit ganz überwiegend aus gebürtigen Festlandchinesen, die vor den Kommunisten geflohen waren, rekrutierte und die eine „Fremdherrschaft“ in Taiwan ausgeübt habe. Die KMT hält dem entgegen, dass sich Taiwan unter ihrer jahrzehntelangen Führung durch eine kluge Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik von einer armen, unterentwickelten Tropeninsel in den 1950er Jahren zu einem Hochtechnologie-Land mit einer der größten Halbleiterindustrien weltweit entwickelt hat und betont ihre wirtschaftspolitische Kompetenz. Sozialpolitisch und gesellschaftspolitisch vertritt die KMT eher konservative Standpunkte.

Demokratische Fortschrittspartei

Die Demokratische Fortschrittspartei (DPP) entstand 1986 und hat ihre Wurzeln in der Bürgerrechtsbewegung (Dangwai) gegen die Kuomintang-Alleinherrschaft. Ein wichtiges Thema war von Anfang an die Frage der staatlichen Unabhängigkeit Taiwans. Radikalere Kräfte innerhalb der DPP forderten die einseitige Unabhängigkeitserklärung und die Umbenennung des Staates von „Republik China“ in „Taiwan“ unter Aufgabe des Ziels der Vereinigung mit dem chinesischen Festland. Bisher hat jedoch keine der DPP-geführten Regierungen, die 2001 bis 2008 und ab 2016 an der Macht waren, Schritte in diese Richtung unternommen. Ein wichtiger Grund hierfür sind neben verfassungrechtlichen Hürden, die zu überwinden wären, außenpolitische Aspekte. Die Vereinigten Staaten als wichtigster Verbündeter Taiwans haben sich gegen eine einseitige Unabhängigkeitserklärung ausgesprochen, und die Volksrepublik China hat für einen solchen Fall militärische Maßnahmen angedroht. Radikaleren Unabhängigkeitsbefürwortern war das Lavieren der DPP in dieser Frage ein Dorn im Auge und so kam es mehrfach zu Abspaltungen von der DPP, bzw. es entstanden Parteien im Umfeld der DPP, die in dieser Frage einen radikaleren Standpunkt vertraten. Sozialpolitisch möchte die DPP die Bürgerrechte stärken und vertritt liberale Standpunkte (bspw. Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe).

Taiwanische Volkspartei

Die Taiwanische Volkspartei (TPP) wurde 2019 von Ko Wen-je gegründet, der seitdem der Parteivorsitzende ist. Die Partei erhebt den Anspruch, den traditionellen blau-grünen Gegensatz zu überwinden. Im Parteiprogramm betont die TPP die Notwendigkeit einer guten Regierung, und möchte sich für eine inklusive, prosperierende taiwanische Gesellschaft einsetzen.[5] In Hinsicht auf das Verhältnis zur Volksrepublik China hat die Partei bisher einen nicht ganz klaren Standpunkt bezogen. Die kulturellen Gemeinsamkeiten mit der chinesischen Welt werden betont, aber eine politische Einheit mit Festlandchina aktuell für unmöglich gehalten.[6]

New Power Party

Die 2015 gegründete New Power Party (NPP) hat ihre Ursprünge in der sogenannten Sonnenblumen-Bewegung einer studentischen Protestbewegung gegen die damalige KMT-Regierung unter Präsident Ma Ying-jeou. Hauptthema der Partei ist die Stärkung der Bürgerrechte. Die Partei gehört zum pan-grünen Lager.

Grüne Partei

Die Grüne Partei Taiwans wurde 1996 gegründet, konnte aber, auch benachteiligt durch das Wahlrecht, bei bisherigen Wahlen kein Parlamentsmandat erringen. Umweltthemen gewinnen jedoch in der Politik Taiwans an Bedeutung.

Andere Parteien

Weitere Parteien sind die konservative Qinmindang, die Taiwanische Staatsbildungspartei, u. a. m., denen jedoch geringe Chancen eingeräumt werden.

Einzelnachweise

  1. a b Lai Yu-chen, Lee Hsin-Yin: 2024 presidential, legislative elections slated for Jan. 13: CEC. In: Focus Taiwan. 10. März 2023, abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
  2. Brian Hioe: Once Again, KMT Scores Big in Taiwan’s Local Elections. In: The Diplomat. 28. November 2022, abgerufen am 12. August 2023 (englisch).
  3. Hippolyte Cailleteau: The International Effect of Taiwan’s Local Elections. In: The Diplomat. 21. Januar 2023, abgerufen am 12. August 2023 (englisch).
  4. Party Charter. Offizielle Webseite der Kuomintang, abgerufen am 19. August 2023 (englisch).
  5. Core Philosophy. Webseite der Taiwanischen Volkspartei, abgerufen am 19. August 2023 (englisch).
  6. Courtney Donovan Smith (石東文): Taiwan People's Party takes stance on 'one China' and '1992 consensus'. In: Taiwan News. 22. April 2023, abgerufen am 19. August 2023 (englisch).