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„Abbild“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Caus Perspectiue 1611.jpg|thumb|Eine perspektivische Umsetzung verbindet das Abbild mit dem Gegenstand. Abbildung aus Salomon de Caus, ''La perspectiue'' (Londres: R. Field/ J. Mommart/ Brussels: R Barker, 1611).]]
[[Datei:Caus Perspectiue 1611.jpg|thumb|Eine [[Perspektive|perspektivische]] Umsetzung verbindet das Abbild mit dem Gegenstand. Abbildung aus Salomon de Caus, ''La perspectiue'' (Londres: R. Field/ J. Mommart/ Brussels: R Barker, 1611).]]


Das Wort '''Abbild''' bezeichnet ein Bild und seine – nachvollziehbare – Beziehung zu einem abgebildeten (auf ihm wieder erkennbar werdenden) Gegenstand. Ein Abbild kann einen natürlichen Ursprung haben (Schatten, Spiegelbild) oder künstlich geschaffen sein (Gemälde, symbolisches Zeichen). In frühen Gesellschaften wurden mit Abbildern [[Magie|magische]] Bedeutungen verbunden, wie die Anwesenheit eines dargestellten Gottes. Im Kampf gegen diese Vorstellungswelten und zur Sicherung der eigenen Dominanz erließen die monotheistischen Religionen Bilderverbote, die im Verlaufe der europäischen Geschichte immer wieder zu Auseinandersetzungen führten (siehe [[Bilderstreit]], [[Bildersturm]]).
'''Abbild''' bezeichnet ein Bild und seine Beziehung zu einem darauf abgebildeten wiedererkennbaren [[Gegenstand]]. Ein Abbild kann einen natürlichen Ursprung haben (z.B. Schatten, Spiegelbild) oder künstlich geschaffen sein (z.B. Gemälde, symbolisches Zeichen).


Die Beziehung zwischen Gegenstand und Abbild wird in der [[Philosophie]] als Abbildrelation bezeichnet. Dadurch soll das Verhältnis zwischen Sache und Bild beschrieben werden. Unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen befassen sich auf verschiedene Art mit [[Bildwissenschaft|Bildern]] als Untersuchungsgegenstand, oder benutzen sie als Hilfsmittel:
Die Beziehung zwischen Gegenstand und Abbild kann in der Philosophie als Abbildrelation bezeichnet werden, durch die das Verhältnis zwischen Sache und Bild beschrieben wird. So stellt sich in der [[Messtheorie]] die grundlegende Aufgabe, in der Abbildung die empirischen Relationen aufrecht zu erhalten oder angemessene [[Analogie (Philosophie)|Analogie]]n herzustellen. In der Mathematik werden durch [[Abbildung (Mathematik)|mathematische Abbildungsregeln]] genaue Zuordnungen geschaffen. Ähnliches gilt für [[Prädikat (Logik)|Prädikate]] in der [[Logik]]. Aufgrund moderner Techniken und Geräte ermöglichen [[Bildgebendes Verfahren|bildgebende Verfahren]] die systematische Erzeugung von Abbildern. Man spricht von [[Isomorphismus|isomorphen]] Abbildern, wenn zu dem Urbild zumindest strukturell eine 1:1 – Beziehung besteht (Beispiel: Fotografie, [[Schaltplan]] einer bestimmten Anlage). [[Homomorphie|Homomorph]] sind Abbilder hingegen, wenn ihnen eine Mehrzahl von Gegenständen zugeordnet werden kann ([[Symbol]]e, [[Begriff (Philosophie)|Begriffe]]). Materielle Abbilder werden auch in der [[Bildwissenschaft]] abgehandelt.


* In der Mathematik ist eine [[Abbildung (Mathematik)|Abbildung]] eine eindeutige Zuordnung zwischen zwei [[Menge (Mathematik)|Mengen]]. Eine [[Element (Mathematik)|element]]weise Abbildung einer Menge auf sich selbst wird [[Identität (Mathematik)|identische]] Abbildung genannt. Falls für jede der Mengen bestimmte zusätzliche [[Relation]]en vorausgesetzt sind (z.B. wenn sie [[Gruppe (Mathematik)|Gruppen]] sind), so heißt eine Abbildungen [[Homomorphie|homomorph]], wenn sie diese Relationen erhält. Eine homomorphe Abbildung nennt man [[Isomorphismus|isomorph]], wenn sie eine homomorphe Umkehrabbildung besitzt, mit welcher verknüpft sie die identische Abbildung erzeugt.
Gleichzeitig zum unkritischen Gebrauch des Wortes „Abbild“ im Alltag hat sich die [[Philosophie]] immer wieder darüber Gedanken gemacht, in welchem Verhältnis Urbild und Abbild zueinander stehen, und aus unterschiedlichen Perspektiven Abbildtheorien entwickelt. Dies insbesondere im Rahmen der [[Erkenntnistheorie]] mit der Frage, inwiefern menschliche [[Erkenntnis]] ein Abbild der [[Wirklichkeit]] sei. Als Abbilder gedeutet werden Sinneseindrücke, Wahrnehmungen oder Vorstellungen sowie auf der sprachlichen Ebene Begriffe, Urteile und Schlussfolgerungen bis hin zu ganzen [[Theorie]]n. Im 20. Jahrhundert wurde im Rahmen der [[Sprachphilosophie]] verstärkt die Frage aufgeworfen, inwiefern eine [[Aussage]] oder die Beschreibung eines [[Sachverhalt]]s die [[Tatsachen]] in der Welt abbilden kann. Dabei hat der bereits in der Antike entstandene Meinungsunterschied zwischen [[Idealismus (Philosophie)|Idealismus]] und [[Realismus (Philosophie)|Realismus]] Fortbestand bis in die Gegenwart.
* Die [[Messtheorie]] untersucht homomorphe Abbildungen grundlegend und findet Anwendung z.B. in der Statistik.
* Ebenfalls lassen sich [[Prädikat (Logik)|Prädikate]] in der [[Logik]] als mathematische Abbildungen aufgefassen.
* Materielle Abbilder werden auch in der [[Bildwissenschaft]] abgehandelt.


Philosophen haben im Rahmen der [[Erkenntnistheorie]] immer wieder gefragt, in welchem Verhältnis Urbild und Abbild zueinander stehen und aus unterschiedlichen Perspektiven Abbildtheorien darüber entwickelt, inwiefern menschliche [[Erkenntnis]] ein Abbild der [[Wirklichkeit]] ist. Abbildungen sind daher mit der [[Konstitution]] von [[Subjekt (Philosophie)|Subjekten]] und [[Objekt (Philosophie)|Objekten]] verbunden.
== Erkenntnistheoretische Problematik ==


Abbildern können religiöse oder [[Magie|magische]] Bedeutungen zugewiesen werden. Seit der [[Antike]] haben [[Monotheismus|monotheistischen]] Religionen häufig [[Bilderverbot]]e erlassen, die im Verlaufe der europäischen Geschichte immer wieder zu Auseinandersetzungen führten (siehe [[Bilderstreit]], [[Bildersturm]]).
=== Materialismus, Idealismus oder Realismus: Die grundlegenden Positionen der Antike ===


Als Abbilder gelten Sinneseindrücke, Wahrnehmungen oder Vorstellungen sowie auf der sprachlichen Ebene Begriffe, Urteile und Schlussfolgerungen bis hin zu [[Theorie]]n. Im 20. Jahrhundert diskutierten Philosophen erneut darüber, inwiefern eine [[Aussage]] oder die Beschreibung eines [[Sachverhalt]]s die [[Tatsache]]n in der Welt abbilden können. Der bereits in der Antike entstandene Meinungsunterschied zwischen [[Idealismus (Philosophie)|Idealismus]] und [[Realismus (Philosophie)|Realismus]] hat Fortbestand bis in die Gegenwart.
Die Verknüpfung der Erkenntnistheorie mit einem Nachdenken über Abbildungen geht weit in die [[Philosophie der Antike|antike Philosophie]] zurück – erste Überlegungen finden sich schon bei [[Heraklit]]<ref>: „Der Seele Grenzen kannst du nicht ausfinden, und ob du jegliche Straße abschrittest; so tiefen Grund hat sie“, (Fragm. B 45) „er behauptete, dass die Sehkraft täuscht“ (Fragm. 55), und „sich die Leute im Kennenlernen der sichtbaren Dinge irren“ (Fragm. 56)</ref>.
Eine frühe naive Theorie der Abbildung entwickelten die griechischen Philosophen [[Leukipp]] und [[Demokrit]], deren Lehre auch als [[Atomismus]] bezeichnet wird. Nach ihrer Erkenntnistheorie werden von den realen Gegenständen ständig unsichtbare Atome oder Bilderchen (eidola) ausgesandt, die durch die Sinnesorgane in die Seele gelangen. Diese [[Materialismus|materialistischen]] Theorie vertraten später auch die [[Epikureismus|Epikureer]].<ref>[[Lukrez]]: De rerum naturae IV</ref>


Die [[Ideologie|Ideologiekritik]] befasst sich mit der gesellschaftspolitischen [[Bedeutung (Philosophie)|Bedeutung]] von Abbildern.
Mit seinem komplexen Aufbau wurde das „[[Höhlengleichnis]]“ aus [[Platon]]s siebtem Buch des ''[[Politeia|Staats]]'' zur zentralen Formulierung des Problems, das entsteht, sobald man die optische Abbildung zu einer Metapher für Erkenntnis macht und darauf verweist, dass wir den Abbildungsprozess selbst nicht wahrnehmen. Platon baut dafür ein Gleichnis auf, in dem er den Abbildungsprozess gezielt komplex gestaltet und dem Wahrnehmenden, hier gefesselt bleibenden, entzieht: Im Mittelpunkt des Gleichnisses steht ein in einer Höhle gefesselter Mensch. Alles, was er zu sehen bekommt, sind die Schatten von Gegenständen, die sich auf der ihm gegenüberliegenden Wand der Höhle abzeichnen. Dargeboten werden ihm dabei nicht einmal die Schatten realer Dinge – er verfolgt ein [[Inszenierung|inszeniertes]] Schattenspiel. Welche Haltung, so lautet die philosophische Frage, wird der Gekettete zu den sich an der Wand abzeichnenden Formen entwickeln? Muss er sie nicht für die [[Realität|realen]] Objekte halten? Der Ausweg aus dem Erkenntnis[[dilemma]] ist mit dem Gleichnis gegeben. Die einzige Chance, die der Wahrnehmende hat, mehr zu begreifen, liegt – solange er sich aus seinen Ketten nicht befreien kann – in einem philosophischen Nachdenken. Könnte er eine korrekte [[Idee]] des Abbildungsprozesses erlangen, so könnte er durchschauen, was ihm vorgespiegelt wird. Zumindest eines kann er: ermessen, dass seine gegenwärtige Vorstellungen wenig mit der Welt, wie sie wirklich ist, zu tun haben. Entsprechend entwarf Platon ein Weltbild, in dem die sinnlichen [[Wahrnehmung]]en nur Abbildungen von Ideen liefern, die als Urbilder das Wesen der Welt ausmachen<ref>Platon: [[Phaidros]], 250 b</ref>. Er ging so weit, dass er den ganzen natürlichen [[Universum|Kosmos]] als Abbild des Göttlichen betrachtete, in der die Zeit ein Abbild der Ewigkeit ist.<ref>Platon: [[Timaios]], 29b und 37c</ref>


== Philosophie ==
Hiergegen opponierte [[Aristoteles]], der Platon vorhielt, dass er mit der Vorstellung der Ideen die Anzahl der Gegenstände in der Welt zumindest verdoppele. Für Aristoteles entsteht Erkenntnis nicht in einer einzelnen Wahrnehmung als sozusagen "unmittelbarer" Abbildung der Wirklichkeit, sondern in der richtigen Konstellation der jeweiligen Bedeutungsinhalte (symplokä noämaton), welche nach bestimmen Urteilsformen miteinander in Beziehung gesetzt werden.<ref> Vgl. J. Nieraad: Art. Abbildtheorie, in: [[Historisches Wörterbuch der Philosophie]], Bd. 1, 1-3</ref> Aristoteles verwirft also ein Modell, nach welchem die richtige Abbildung der Wirklichkeit in der Erkenntnis des Menschen nur auf (materielle) Einwirkung der Außenwelt und [[Affekt|affektive]] Reaktionen darauf zurückzuführen sei. Entscheidend für ein richtiges Abbild ist, dass der Verstand des Menschen die jeweiligen Sinneseindrücke in eine richtige Beziehung zueinander setzt. Aus dieser Auseinandersetzung darüber, ob es eigenständige Ideen gibt, entstand im [[Philosophie des Mittelalters|Mittelalter]] der [[Universalienstreit]].
=== Antike ===
;Materialismus, Idealismus oder Realismus: Die grundlegenden Positionen der Antike


Die Verknüpfung der Erkenntnistheorie mit einem Nachdenken über Abbildungen geht weit in die [[Philosophie der Antike|antike Philosophie]] zurück – erste Überlegungen finden sich schon bei [[Heraklit]]
In der Folgezeit knüpfte die [[Stoa]] zwar an das naturalistische Weltbild der Atomisten an, vertrat aber wie Aristoteles einen differenzierteren Erkenntnisprozess. Die richtige Vorstellung vom Gegenstand setzt nicht nur die Umsetzung einer Sinnesreizung in Wahrnehmungen voraus, sondern auch die rationale Verarbeitung der Sinnesdaten und eine rationale Beurteilung (sygkatathesis).<ref> Vgl. J. Nieraad: Art. Abbildtheorie, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, 1-3</ref>
: „Der [[Seele]] Grenzen kannst du nicht ausfinden, und ob du jegliche Straße abschrittest; so tiefen Grund hat sie“<ref>(Fragm. B 45) „er behauptete, dass die Sehkraft täuscht“ (Fragm. 55), und „sich die Leute im Kennenlernen der sichtbaren Dinge irren“ (Fragm. 56)</ref>.
Eine frühe Theorie der Abbildung entwickelten die griechischen Philosophen [[Leukipp]] und [[Demokrit]], deren Lehre auch als [[Atomismus]] bezeichnet wird. Nach ihrer Erkenntnis werden von den realen Gegenständen ständig unsichtbare Atome oder Bilderchen (eidola) ausgesandt, die durch die Sinnesorgane in die Seele gelangen. Diese [[Materialismus|materialistischen]] Theorie vertraten später auch die [[Epikureismus|Epikureer]].<ref>[[Lukrez]]: De rerum naturae IV</ref>


Mit seinem komplexen Aufbau wurde das „[[Höhlengleichnis]]“ aus [[Platon]]s siebtem Buch des ''[[Politeia|Staats]]'' zur zentralen Formulierung des Problems, das entsteht, sobald man die [[optisch|optische]] Abbildung zu einer [[Metapher]] für Erkenntnis macht und darauf verweist, dass wir den Abbildungsprozess selbst nicht wahrnehmen. Platon baut dafür ein Gleichnis auf, in dem er den Abbildungsprozess komplex gestaltet und dem Wahrnehmenden entzieht: Im Mittelpunkt des Gleichnisses steht ein in einer Höhle gefesselter Mensch. Alles, was er zu sehen bekommt, sind die Schatten von Gegenständen, die sich auf der ihm gegenüberliegenden Wand der Höhle abzeichnen. Dargeboten werden ihm dabei nicht einmal die Schatten realer Dinge – er verfolgt ein [[Inszenierung|inszeniertes]] Schattenspiel. Welche Haltung, so lautet die philosophische Frage, wird der Gekettete zu den sich an der Wand abzeichnenden Formen entwickeln? Muss er sie nicht für die [[Realität|realen]] Objekte halten? Den Ausweg aus dem [[Dilemma|Erkenntnisdilemma]] zeigt Platon durch sein Gleichnis. Die einzige Chance der Erkenntnis, die der Wahrnehmende hat, liegt – solange er sich aus seinen Ketten nicht befreien kann – in einem philosophischen [[Denken|Nachdenken]]. Könnte er eine korrekte [[Idee]] des Abbildungsprozesses erlangen, so könnte er durchschauen, was ihm vorgespiegelt wird. Zumindest eines kann er: ermessen, dass seine gegenwärtige Vorstellungen wenig mit der Welt, wie sie wirklich ist, zu tun haben. Entsprechend entwarf Platon ein [[Weltbild]], in dem die sinnlichen [[Wahrnehmung]]en nur Abbildungen von Ideen liefern, die als Urbilder das Wesen der Welt ausmachen<ref>Platon: [[Phaidros]], 250 b</ref>. Er betrachtete den gesamten natürlichen [[Universum|Kosmos]] als Abbild des Göttlichen und die Zeit als Abbild der Ewigkeit.<ref>Platon: [[Timaios]], 29b und 37c</ref>
=== Der Mensch als beschränktes Abbild Gottes: Christliche Einflüsse im Mittelalter ===


Hiergegen opponierte sein Schüler [[Aristoteles]], der Platon vorhielt, dass er mit der Vorstellung der Ideen die Anzahl der Gegenstände in der Welt zumindest verdoppele. Für Aristoteles entsteht Erkenntnis nicht in einer einzelnen Wahrnehmung als sozusagen „unmittelbare“ Abbildung der Wirklichkeit, sondern in der richtigen Konstellation der jeweiligen [[Bedeutung]]sinhalte (symplokä noämaton), welche er nach bestimmen Urteilsformen miteinander in Beziehung setzte.<ref> Vgl. J. Nieraad: Art. Abbildtheorie, in: [[Historisches Wörterbuch der Philosophie]], Bd. 1, 1-3</ref> Aristoteles verarf also ein Modell, nach welchem die richtige Abbildung der[[ Wirklichkeit]] in der Erkenntnis des Menschen nur auf (materielle) Einwirkung der Außenwelt und [[Affekt|affektive]] Reaktionen darauf zurückzuführen ist. Entscheidend für ein im aristotelischen Sinne „richtiges Abbild“ ist, dass der [[Vernunft|Verstand]] des Menschen die jeweiligen Sinneseindrücke in eine richtige Beziehung zueinander setzt. Aus dieser Auseinandersetzung darüber, ob es eigenständige Ideen gibt, entstand im [[Philosophie des Mittelalters|Mittelalter]] der [[Universalienstreit]].
Bis in die [[Neuzeit]] blieb das Nachdenken über eine Erkenntnis mittels Abbildern ein Eckstein religiöser, [[Idealismus (Philosophie)|idealistischer]] und [[Transzendenz|transzendentalistischer]] Philosophie. Es schien plausibel, dass die menschliche Erkenntnis, solange sie sich auf [[Sinneswahrnehmung]]en beschränkte, sich Täuschungen auslieferte und zur höheren Erkenntnis – insbesondere der [[Gott]]es – nicht vordringt. Das Nachdenken über Abbild und Wirklichkeit stand für die Kluft zwischen unserer Vorstellung und der Wirklichkeit. Die Bibel selbst lieferte die Anknüpfungen an die antike Problemstellung mit Passagen wie jener aus ''[[1. Korintherbrief|1. Korinther]]'' 13 (Luthers Übersetzung von 1545):

In der [[Spätantike]] knüpfte die [[Stoa]] zwar an das [[Naturalismus (Philosophie)|naturalistische]] Weltbild der Atomisten an, vertrat aber wie Aristoteles einen differenzierteren Erkenntnisprozess. Die richtige Vorstellung vom Gegenstand setzt nicht nur die Umsetzung einer Sinnesreizung in Wahrnehmungen voraus, sondern auch die rationale Verarbeitung der Sinnesdaten und eine rationale Beurteilung (sygkatathesis).<ref> Vgl. J. Nieraad: Art. Abbildtheorie, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, 1-3</ref>

=== Mittelalter ===
;Der Mensch als beschränktes Abbild Gottes: Christliche Einflüsse im Mittelalter

Bis in die [[Neuzeit]] blieb das Nachdenken über eine Erkenntnis mittels Abbildern ein Eckstein religiöser, [[Idealismus (Philosophie)|idealistischer]] und [[Transzendenz|transzendentalistischer]] Philosophie. Es schien plausibel, dass die sich menschliche Erkenntnis, solange sie sich auf [[Sinneswahrnehmung]]en beschränkte, Täuschungen auslieferte und zur höheren Erkenntnis – insbesondere der [[Gott]]es – nicht vordringt. Das Nachdenken über Abbild und Wirklichkeit stand für die Kluft zwischen unserer Vorstellung und der Wirklichkeit. Die Bibel lieferte die Anknüpfungen an die antike Problemstellung mit Passagen wie jener aus ''[[1. Korintherbrief|1. Korinther]]'' 13 ([[Martin Luther|Luthers]] Übersetzung von 1545):


: ''Es müssen aufhören die Weissagungen, und auffhören die Sprachen, und das Erkenntnis selbst wird auffhören. Denn unser Wissen ist stückwerck, und unser Weissagen ist stückwerck'' [...] ''Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem tunckeln Wort, Denn aber von angesicht zu angesicht.''
: ''Es müssen aufhören die Weissagungen, und auffhören die Sprachen, und das Erkenntnis selbst wird auffhören. Denn unser Wissen ist stückwerck, und unser Weissagen ist stückwerck'' [...] ''Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem tunckeln Wort, Denn aber von angesicht zu angesicht.''


Der gegenwärtige Zustand fessele den Menschen, Ebenbild Gottes, an eine unvollkommene Erkenntnis. Was er von sich sieht, ist nicht mehr, als was er in einem schlechten [[Spiegel]] zu sehen bekommt. Eine ganz andere Situation der Erkenntnis wird eintreten, wenn der Mensch Gott gegenübersteht.
Der gegenwärtige Zustand fessele den Menschen als [[Ebenbild Gottes]] an eine unvollkommene Erkenntnis. Was er von sich sieht, ist nicht mehr, als was er in einem schlechten Spiegel zu sehen bekommt. Eine wahrhaftige Erkenntnis wird erst möglich, wenn der Mensch Gott gegenübersteht.

Es war vor allem [[Augustinus von Hippo|Augustinus]], der um 400 n.Cr. die Abbildvorstellung in einen [[Christentum|christlichen]] Rahmen übertrug. Dadurch dass der Mensch über [[Geist]] und Verstand verfügt, hebt er sich von allen anderen Kreaturen ab und wird zum Ebenbild Gottes auf Erden.<ref>vgl. Gen. 1, 26/27</ref> Weil er einen [[Freier Wille|freien Willen]] hat, ist der Mensch aber auch unvollkommen und kann aus eigener Leistung die [[Wahrheit]] nicht erkennen. Zugang zu Gott als dem Urbild alles Seienden findet er nur in der [[Kontemplation]]. Die [[Trinität]] von Sein, Liebe und Erkennen als Bild Gottes [[Offenbarung|offenbart]] sich nur im inneren des Menschen. (De Trinitate)<ref>siehe auch: Augustins Gegenüberstellung von „Mundus intelligiblis“ (Welt der Vernunft), in der es Wahrheit gibt, und „Mundus sensiblis“ (Welt der Sinne), die ein Abbild der göttlich bestimmten Welt des Geistes ist und in der man der Wahrheit nur nahe kommt, in der Abhandlung Contra Academicos, Kap. 3</ref>

Die [[Arabische Philosophie|arabische]], [[jüdische Philosophie|jüdische]] und lateinische [[Scholastik]] diskutierte viele Grundprobleme der allgemeinen [[Epistemologie]], darunter die Frage nach dem Grund unserer Überzeugungen und ihrer Erkenntnis, vielfach unter Rückgriff auf die [[Metapher]] von Urbild und Abbild. Bereits in der Antike werden [[Universalienstreit|Universalien]] - und teilweise auch Individualbegriffe - als Ideen im göttlichen Schöpfergeist gesehen. Damit sind sowohl die Strukturen als auch die einzelnen Objekte der Realität beschreibbar als Abbilder von Urbildern im göttlichen Geiste. Nach der Vorstellung über die „absolute Einfachheit“ des göttlichen Wesens und seiner „Einzigkeit“ als ewigem und notwendigem [[Sein (Philosophie)|Sein]], werden diese Ideen in Gott teilweise als miteinander verbunden betrachtet. Gottes Geist gibt nach dieser Vorstellung dem begrenzten Erkenntnisvermögen die Begriffe ein, entweder spontan oder auf den Sinnen beruhend, welche Einzeldinge erkennen können, aber nicht den gsamten göttlichen Geist. Der bei Aristoteles nicht erklärte Begriff eines „aktiven Verstandes“ ([[intellectus agens]]) wird vielfach dieser Auffassung zugrunde gelegt. Auf dieser theoretischen Basis können neben der [[Ontologie|ontologischen]] Abhängigkeitsbeziehung auch innerhalb der Erkenntnistheorie sämtliche Begriffe als Abbilder von Urbildern im göttlichen Geiste gedeutet werden.


Spätestens sobald auch im lateinischen [[Mittelalter|mittelalterlichen]] Westen eine genauere Kenntnis des aristotelischen Werkes vorlag, die durch arabische Übersetzungen vermittelt worden war, und sich die [[Theologie|theologische]] und philosophische Diskussion akademisch professionalisiert hatte, wurde dieser Themenkreis vielfach debattiert. Zahlreiche Theologen und Philosophen sahen jetzt die menschliche Erkenntnis weniger als Abbild göttlicher, sondern eher irdischer endlicher Realität. Sie stellten die These auf, dass nichts im Intellekt ist, was nicht vordem durch die Sinne wahrgenommen worden ist. Erkenntnis bzw. Wahrheit beruhe auf einer Übereinstimmung des Intellekts mit der Sache.
Es war vor allem [[Augustinus von Hippo|Augustinus]], der die Abbildvorstellung in einen christlichen Rahmen transponierte. Dadurch dass der Mensch über Geist und Verstand verfügt, hebt er sich von allen anderen Kreaturen ab und wird zum Ebenbild Gottes auf Erden. (vgl. Gen. 1, 26/27) Dadurch dass er einen freien Willen hat, ist der Mensch aber auch unvollkommen und kann aus eigener Leistung die Wahrheit nicht erkennen. Zugang zu Gott als dem Urbild alles Seienden findet der Mensch nur in der [[Kontemplation]]. Die [[Trinität]] von Sein, Liebe und Erkennen als Bild Gottes offenbart sich nur im inneren Menschen. (De Trinitate).<ref>siehe auch Augustins Gegenüberstellung von Mundus intelligiblis (Welt der Vernunft), in der es Wahrheit gibt, und Mundus sensiblis (Welt der Sinne), die ein Abbild der göttlich bestimmten Welt des Geistes ist und in der man der Wahrheit nur nahe kommt, in der Abhandlung Contra Academicos, Kap. 3</ref>


Wirkungsgeschichtlich sind solche Konzepte sehr bedeutsam gewesen. Entgegen diesem oft als aristotelisch bezeichneten erkenntnistheoretischen Ansatz gingen im [[Spätmittelalter]] Theoretiker wie [[Meister Eckhart]] davon aus, dass der menschliche Geist direktes Abbild des göttlichen Intellekts ist: er sei nämlich damit vollkommen identisch, und die Umsetzung dieser Identität sei für den Menschen Ziel des geistigen Weges.<ref> Vgl. zum Beispiel Mauritius Wilde: ''Das neue Bild vom Gottesbild, Bild und Theologie bei Meister Eckhart.'' Freiburg/Schweiz Univ.-Verlag 2000, ISBN 3-7278-1298-2. Wilde analysiert Eckharts anschauliche Illustrationen zum Beispiel anhand von Spiegelbildern und befasst sich kurz mit einigen seiner Vorläufer, zunächst innerhalb der [[Dominikaner|Dominikanerschule]]. Zum theoretischen Hintergrund insbesondere: Burkhard Mojsisch: ''Meister Eckhart, Analogie, [[Univozität]] und Einheit.'' Meiner, Hamburg 1983</ref>
Die arabische, jüdische und lateinische [[Scholastik]] diskutiert viele Grundprobleme der allgemeinen Epistemologie, darunter die Frage nach den Wahrmachern unserer Überzeugungen und dem epistemischen Zugriff auf diese, vielfach unter Rückgriff auf die Metapher von Urbild und Abbild. Bereits in der Antike werden Universalien - und teilweise auch Individualbegriffe - als Ideen im göttlichen Schöpfergeist lokalisiert. Damit sind sowohl die Strukturen als auch die einzelnen Objekte der Realität beschreibbar als Abbilder von Urbildern im göttlichen Geiste. Um dem traditionellen Prinzip der absoluten Einfachheit des göttlichen Wesens und seiner Einzigkeit als ewigem und notwendigem [[Sein (Philosophie)|Sein]] Genüge zu tun, werden diese Ideen in Gott teilweise auch als voneinander ungeschieden zu behandeln versucht. Gottes Geist wiederum wird vielfach mit einem Erkenntnisprinzip identifiziert, welches dem endlichen Erkenntnisvermögen die Begriffe eingibt - im Extremfall allesamt spontan, in gemäßigteren Ansätzen jeweils bei Gelegenheit der Abstraktion allgemeiner Begriffe aus den Sinnen vorliegenden Einzeldingen. Der bei Aristoteles dunkel bleibende Begriff eines "aktiven Verstandes" ([[intellectus agens]]) wird vielfach für diese Auffassung zugrunde gelegt. Auf dieser theoretischen Basis können neben der ontologischen Abhängigkeitsbeziehung auch innerhalb der Erkenntnistheorie sämtliche Begriffe als Abbilder von Urbildern im göttlichen Geiste behandelt werden. Spätestens sobald auch im lateinischen Westen eine genauere Kenntnis über die aristotelischen Werke vorliegt und sich aus unabhängigen Ursachen die theologische und philosophische Diskussion akademisch professionalisiert, werden alle vorbenannten Zusammenhänge vielfach kritisch und detailliert diskutiert. Denn ein zwar nicht prinzipiell inkompatibler, aber verschiedener Akzent ergibt sich, wenn die menschliche Erkenntnis weniger als Abbild göttlicher, sondern endlicher Realität theoretisch zu behandeln versucht wird. Hier werden zum Beispiel die Formulierungen geprägt, dass nichts im Intellekt sei, was nicht vordem in den Sinnen gewesen, oder dass Erkenntnis bzw. Wahrheit eine Angemessenheit bzw. Übereinstimmung des Intellekts zur Sache ausmacht. Wirkungsgeschichtlich sind diese Thesen vielfach zu allfälligen Merksätzen geworden, von welchen aber je nach theoretischer Ausarbeitung unterschiedlicher Gebrauch gemacht wird. Entgegen dieser retrospektiv oft als "aristotelisch" etikettierten erkenntnistheoretischen Ausrichtung wird aber zum Beispiel im 14. und 15. Jh. von Theoretikern wie [[Meister Eckhart]] vertreten, dass der menschliche Geist in einem sehr viel weiter gehenden Sinne Abbild des göttlichen Intellekts sei: er sei nämlich im Vollzug und abgesondert von allen unterscheidbaren Gehalten mit jenem strikt identisch, und die Realisierung dieser Identität sei Ziel eines geistigen Weges.<ref> Vgl. zum Beispiel Mauritius Wilde: Das neue Bild vom Gottesbild, Bild und Theologie bei Meister Eckhart, Freiburg/Schweiz : Univ.-Verlag 2000, ISBN 3-7278-1298-2. Dort werden auch Eckharts anschauliche Illustrationen zum Beispiel anhand von Spiegelbildern analysiert und kurz einige seiner Vorläufer, zunächst innerhalb der Dominikanerschule, benannt. Stärker zum theoretischen Hintergrund: Burkhard Mojsisch: Meister Eckhart, Analogie, Univozität und Einheit: Meiner, Hamburg 1983</ref>


=== Empirismus: Zurückbindung der Wissenschaft auf Abbildungsfunktionen ===
=== Rennaissance und Neuzeit ===
;Empirismus. Zurückbindung der Wissenschaft auf Abbildungsfunktionen


[[Datei:1752 James Ayscough A short account of the Eye and nature of vision p30.jpg|thumb|Das Auge erzeugt ein Abbild vom Gegenstand (das im Gehirn gespiegelt und wieder richtig herum gestellt werden muss), Abbildung aus James Ayscough, ''A Short Account of the Eye and Nature of Vision'' (London, 1752).]]
[[Datei:1752 James Ayscough A short account of the Eye and nature of vision p30.jpg|thumb|Das Auge erzeugt ein Abbild vom Gegenstand (das im Gehirn gespiegelt und wieder richtig herum gestellt werden muss), Abbildung aus James Ayscough, ''A Short Account of the Eye and Nature of Vision'' (London, 1752).]]
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Es gibt diesem Modell nach eine Außenwelt. Wir verfügen über Sinnesorgane, um sie wahrzunehmen. Unsere Organe erzeugen Sinneseindrücke, Bilder der Welt in unserem [[Bewusstsein]]. Wir müssen demnach Instrumente entwickeln, mit denen wir weit perfektere Abbildungen der Welt zustande bringen: [[Thermometer]], [[Barometer]], [[Teleskop]]e, [[Mikroskop]]e – ein Instrumentarium, mit dem wir unsere Sinneswahrnehmungen auf den [[Makrokosmos|Makro-]] und [[Mikrokosmos]] ausdehnen.
Es gibt diesem Modell nach eine Außenwelt. Wir verfügen über Sinnesorgane, um sie wahrzunehmen. Unsere Organe erzeugen Sinneseindrücke, Bilder der Welt in unserem [[Bewusstsein]]. Wir müssen demnach Instrumente entwickeln, mit denen wir weit perfektere Abbildungen der Welt zustande bringen: [[Thermometer]], [[Barometer]], [[Teleskop]]e, [[Mikroskop]]e – ein Instrumentarium, mit dem wir unsere Sinneswahrnehmungen auf den [[Makrokosmos|Makro-]] und [[Mikrokosmos]] ausdehnen.


Heikel wird der Erkenntnisprozess, so die Empiristen, wenn er verunreinigt wird, und wenn „irrige Vorstellungen“ in ihn eindringen. Schon [[Francis Bacon]] warnte vor falschen [[Idolenlehre|Idolen]], die zu Trugbildern werden. Die Erkenntnistheorie des Empirismus begreift die Seele und den Verstand als [[tabula rasa]], als eine leere Tafel, auf der sich durch sinnliche Wahrnehmungen Abbilder der Wirklichkeit gewissermaßen abzeichnen. [[John Locke]] etwa beschreibt den Verstand in seinem [[An Essay concerning Humane Understanding]] (1690) als „empty cabinet“, „sheet of blanc paper“ oder „waxed tablet“<ref>John Locke: An Essay concerning human understanding. I, 1, 15; II, 1, 1;</ref>, auf denen sich Abbilder der Gegenstände einprägen. [[George Berkeley]] entwickelt eine Abbildtheorie, nach welcher er Erkenntnis als „ideas, imprinted on the senses by the Author of Nature“ auffasst.<ref> Berkely: Principles of human knowledge. I, 33.</ref>
Heikel wird der Erkenntnisprozess, so die Empiristen, wenn er „verunreinigt“ wird, und wenn „irrige Vorstellungen“ in ihn eindringen. Schon [[Francis Bacon]] warnte vor falschen [[Idolenlehre|Idolen]], die zu Trugbildern werden. Die Erkenntnistheorie des Empirismus begreift die Seele und den Verstand als [[tabula rasa]], als eine leere Tafel, auf der sich durch sinnliche Wahrnehmungen Abbilder der Wirklichkeit gewissermaßen abzeichnen. [[John Locke]] etwa beschrieb den Verstand in [[An Essay concerning Humane Understanding]] 1690 (Essay über die menschliche Verständigung) als „empty cabinet“, „sheet of blanc paper“ (weißes Blatt Papier) oder „waxed tablet“<ref>John Locke: An Essay concerning human understanding. I, 1, 15; II, 1, 1;</ref>, auf denen sich Abbilder der Gegenstände einprägen. [[George Berkeley]] entwickelte eine Abbildtheorie, nach welcher er Erkenntnis als „ideas, imprinted on the senses by the Author of Nature“ auffasst.<ref> Berkely: Principles of human knowledge. I, 33.</ref>


Unsere Fähigkeit, neue Dinge zu erfinden, beruht darauf, dass wir zwar aus Sinneseindrücken passiv zu Ideen gelangen, diese aber – so John Locke – zu neuen Ideen zusammensetzen können. Unser gesamtes Denken geschehe in einer „association of Ideas“, einer fortlaufenden Verknüpfung von Ideen. Gelangten wir dabei zu irrigen Vorstellungen, so könnten wir alle möglichen [[Aberglaube|abergläubischen]] Vorstellungen entwickeln
Unsere Fähigkeit, neue Dinge zu erfinden, beruht demzufolge darauf, dass wir zwar aus Sinneseindrücken passiv zu Ideen gelangen, diese aber – so John Locke – zu neuen Ideen zusammensetzen können. Unser gesamtes Denken geschehe in einer „association of Ideas“, einer fortlaufenden Verknüpfung von Ideen. Gelangten wir dabei zu irrigen Vorstellungen, so könnten wir alle möglichen [[Aberglaube|abergläubischen]] Vorstellungen entwickeln.


Gegenüber dem Empirismus baute sich im Lauf des 17. und 18. Jahrhunderts eine neue Position idealistischer Philosophie auf ([[Rationalismus]] bei [[Rene Descartes|Descartes]] und [[Gottfried Wilhelm Leibniz|Leibniz]]), die sich auf das empiristische Erkenntnismodell durchaus einließ:<ref>[http://www.teachsam.de/psy/psy_wahrn/psy_wahrn_4_2_3_10_4.htm René Descartes' Theorie der visuellen Wahrnehmung]</ref> Wenn das, womit wir umgingen, Sinnesdaten sein sollten, und wenn wir, wie die Empiristen behaupteten, unsere Ideen aus einer Kombination von Sinnesdaten schüfen, so mussten die Vertreter des Empirismus selbst zugeben, dass sie von dem, wovon ihre Erkenntnis ausging, der Außenwelt, letztlich keine Erkenntnis erlangten. Sie verarbeiteten Sinnesdaten. Die Dinge, die wir sehen, sind nicht die „[[Ding an sich|Dinge an sich]]“ und das, was wir mit den Konzepten tun, unser Verknüpfen und Kombinieren, ist selbst nicht Teil der auf Wahrnehmungen reduzierbaren Welt. Schon nach Descartes ist es ein Irrtum anzunehmen, zwischen Gegenstand und Vorstellung gäbe es eine Ähnlichkeit (Med. III). Die sinnlichen Impulse sind dunkel und unscharf und werden erst klar und unterscheidbar durch den Verstand.
Gegenüber dem Empirismus baute sich im Lauf des 17. und 18. Jahrhunderts eine neue Position idealistischer Philosophie auf, der [[Rationalismus]] [[René Descartes|Descartes]]' und [[Gottfried Wilhelm Leibniz|Leibniz]]', die das empiristische Erkenntnismodell in ihr Denken integrierten:<ref>[http://www.teachsam.de/psy/psy_wahrn/psy_wahrn_4_2_3_10_4.htm René Descartes' Theorie der visuellen Wahrnehmung]</ref> Wenn das, womit wir umehen, Sinnesdaten sind und wenn wir, wie die Empiristen behaupteten, unsere Ideen aus einer Kombination von Sinnesdaten gewinnen, so mussten die Vertreter des Empirismus selbst zugeben, dass sie von dem, wovon ihre Erkenntnis ausging, der Außenwelt, letztlich keine Erkenntnis erlangen konnten. Sie verarbeiteten lediglich Sinnesdaten. Die Dinge, die wir sehen, sind nicht die „[[Ding an sich|Dinge an sich]]“ und das, was wir mit den Konzepten tun, unser Verknüpfen und Kombinieren, ist selbst nicht Teil der auf Wahrnehmungen reduzierbaren Welt. Schon nach Descartes ist es ein Irrtum anzunehmen, zwischen Gegenstand und Vorstellung gäbe es eine Ähnlichkeit (Med. III) oder sogar Übereinstimmung. Die sinnlichen Impulse sind dunkel und unscharf und werden erst klar und unterscheidbar durch den Verstand.


Eine Hinwendung auf das erkennende Subjekt war die Folge; bei Locke hatte sie sich bereits angebahnt, wenn er von der „Verknüpfung von Ideen“ als dem letztendlichen Erkenntnisprozess ausging, und sein Hauptwerk durchaus nicht über die Außenwelt, sondern eben über das „menschliche Verstehen“ schrieb. So werden nach [[Immanuel Kant|Kant]] Erkenntnisbilder durch die produktive Einbildungskraft als Teil des aktiven Verstandes erzeugt (KrV B 179-182). Ein direkter Rückschluss auf die äußere Wirklichkeit ist dadurch nicht möglich.
Eine Hinwendung auf das erkennende Subjekt war die Folge; bei Locke hatte sie sich bereits angebahnt, wenn er von der „Verknüpfung von Ideen“ als dem letztendlichen Erkenntnisprozess ausging. Sein Hauptwerk behandelt das „menschliche Verstehen“, er befasst sich nicht mit der Außenwelt. So werden nach [[Immanuel Kant|Kant]] Erkenntnisbilder durch die produktive [[Einbildungskraft]] als Teil des aktiven Verstandes erzeugt.<ref>KrV B 179-182</ref> Ein direkter Rückschluss auf die äußere Wirklichkeit ist dadurch jedoch nicht möglich.


[[Denis Diderot]], französischer Gelehrter der [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] und Gründer des ersten Universallexikons ([[Cyclopaedia|Cyclopaedia, or Universal Dictionary of the Arts and Sciences]], belegte im Anschluss an Dècartes die rationalistische These, dass die Erkenntnis der Realität lediglich durch wissenschaftliche [[Experiment]]e möglich sei.
=== 19. und 20. Jahrhundert: Transzendentalphilosophie, Materialismus und Positivismus ===


Der deutschstämmige Philosoph der französischen Aufklärung [[Paul Henri Thiry d’Holbach|Holbach]], der [[Atheismus|atheistische]] Positionen vertrat, entwickelte ein [[mechanistisches Weltbild]] und legte ein [[Determinismus|deterministisches]] Konzept über die Wirklichkeit in Bezug auf den Menschen vor.
Das philosophische Spektrum spaltete sich im 19. Jahrhundert in weiter differenzierte Positionen auf. Vertreter der [[Transzendentalphilosophie|transzendentalphilosophischen]]/[[Idealismus (Philosophie)|idealistischen]] Tradition bestritten die Möglichkeit einer Abbildungsbeziehung überhaupt ([[Neukantianismus]], [[Edmund Husserl|Husserl]]), weil sich die tatsächliche Beschaffenheit einer dem Menschen externen Wirklichkeit dessen Erkenntnisvermögen entziehe. Die [[Empirismus|empiristischen]]/[[Materialismus|materialistischen]] Schulen entwarfen ebenso wie der [[Kritischer Realismus|Kritische Realismus]] ([[Oswald Külpe|Külpe]], [[Nicolai Hartmann]]) Abbildungstheorien, die zumindest strukturelle (isomorphe) Entsprechungen von Realität und Bewusstsein annahmen. Der Neuling in diesem Spektrum war die [[Positivismus|positivistische]] Denkrichtung, die sich auf die Analyse der physiologischen und psychologischen Gegebenheiten konzentrierte.


Ebenfalls im 18. Jahrhundert formulierte der schottische Historiker und Philosoph [[David Hume]] das später so bezeichnete ''[[Humes Gesetz]]'', wonach sich aus Aussagen über die Wirklichkeit, keine Anhaltspunkte über [[Ethik]] und [[Moral]] ableiten lassen. Für Hume besteht der menschliche Geist aus Vernunft und Wille. Während die Vernunft eine Übereinstimmung von Überzeugung und Wirklichkeit, d.h. Wahrheit anstrebt, ist der Wille darauf ausgerichtet, die Wirklichkeit nach den Vorstellungen und Wünschen des Individuums zu beeinflussen. Hume nahm an, Wille und Vernunft seien streng zu trennen. Während ersterer den Menschen motiviere, nicht aber zur Erkenntnis der Wirklichkeit führe, strebe allein die Vernunft nach Wahrheit und Wissen.
[[Datei:Ernst Mach Innenperspektive.png|thumb|Der Komplex bildlicher Empfindungen (der Einfachheit halber mit nur einem Auge gesehen). Abbildung aus Ernst Mach, ''Die Analyse der Empfindungen'' (1900), S. 15.]]


=== 19. und 20. Jahrhundert ===
Der [[Positivismus]] verabschiedete sich Mitte des 19. Jahrhunderts von der Abbildungstheorie. Gemeinsam mit dem Empirismus ging er davon aus, dass wir Wahrnehmungen zu interpretieren haben, er wechselt jedoch gemeinsam mit der Transzendentalphilosophie dabei die Perspektive. Das Bild, das unserer Erkenntnis vorangeht, ist nicht das der Außenwelt mitsamt einer [[Camera obscura|camera obscura]], in der sich die Außenwelt widerspiegelt. Wir sehen auch nicht, wie sich im Auge die Welt abbildet. Das Bild, mit dem wir in erster Linie hantieren, ähnelt eher dem, das [[Ernst Mach]] in seiner ''Analyse der Empfindungen'' skizziert. Eine Trennung in Außenwelt und uns selbst führen wir auch im Umgang mit diesem Bild durch. Wir haben etwa die Empfindung einer willentlichen Anstrengung, mit der wir unseren Arm heben, sehen im selben Moment Teile des Bildes, die wir als unseren Arm identifizieren in Bewegung, notieren andere Empfindungen, die wir als taktile zusammenordnen. Wir ordnen und verbinden Empfindungen und entscheiden uns dabei, einige zu „unserem Körper“ zu rechnen und andere etwa zum „Zimmer“, das uns umgibt. Dieselben Empfindungen können genauso gut gerade einem Traum entspringen. Wir tun im Traum jedoch letztlich das Nämliche, und ordnen einige Empfindungen unserem Körper zu und andere einer Außenwelt.
;Transzendentalphilosophie, Materialismus und Positivismus


Das philosophische Spektrum spaltete sich im 19. Jahrhundert in weiter differenzierte Positionen auf. Vertreter der [[Transzendentalphilosophie|transzendentalphilosophischen]]/[[Idealismus (Philosophie)|idealistischen]] Tradition bestritten die Möglichkeit einer Abbildungsbeziehung überhaupt ([[Neukantianismus]], [[Edmund Husserl|Husserl]]), weil sich die tatsächliche Beschaffenheit einer dem Menschen externen Wirklichkeit dessen Erkenntnisvermögen entziehe. Die [[Empirismus|empiristischen]]/[[Materialismus|materialistischen]] Schulen entwarfen ebenso wie der [[Kritischer Realismus|Kritische Realismus]] ([[Oswald Külpe|Külpe]], [[Nicolai Hartmann]]) Abbildungstheorien, die zumindest strukturelle ([[isomorph]]e) Entsprechungen von Realität und Bewusstsein annahmen. Der Neuling in dieser Vielfalt war die [[Positivismus|positivistische]] Denkrichtung, deren Protagonisten sich auf die Analyse der [[Physiologie|physiologischen]] und [[Psychologie|psychologischen]] Gegebenheiten konzentrierten.
Die Analyse der Empfindungen, unsere Arbeit im Ordnen und Interpretieren, geschieht [[Pragmatismus|pragmatisch]]. Wir schaffen Interpretationen der Datenlage, die uns Voraussagen erlauben. Unsere Vorstellung davon, wie die Welt beschaffen ist, hat dabei nur Modellcharakter. „Die Datenlage verhält sich so, als wenn die Dinge die folgende Beschaffenheit hätten...“ Der Wissenschaftler ordnet die Befunde letztlich nur „[[Denkökonomie|ökonomisch]]“: Wirkungsmechanismen, die er nicht benötigt, um eine Voraussage zu treffen, lässt er in seinem Modell außer Acht. Viele Probleme der vorangegangenen philosophischen Debatte stellen sich im selben Moment nicht mehr. Wenn es Bereiche gibt, in denen sich die Dinge nicht so verhalten, als ob sie aus Partikeln bestehen, wenn es Untersuchungen gibt, in denen sie sich eher wie Wellen verhalten, so sieht sich der Positivist nicht daran gebunden, das eine oder andere anzunehmen; im einen Kontext wird mit ihnen so und im anderen anders umgegangen. Es mag zweckmäßig sein, auf Baustellen in einem [[3D|dreidimensionalen]] Raum zu rechnen. Vielleicht berechnet man die Daten aus Weltraumteleskopen im selben Moment unter Maßgaben eines [[4D|vierdimensionalen]] Raums.


[[Datei: Ernst Mach Innenperspektive.png|thumb|Der Komplex bildlicher Empfindungen (der Einfachheit halber mit nur einem Auge gesehen). Abbildung aus Ernst Mach, ''Die Analyse der Empfindungen'' (1900), S. 15.]]
Aus Sicht der [[Marxistische Philosophie|marxistischen]] Materialisten ist der Positivismus eine bürgerlich [[Subjektivismus|subjektivistische]] Philosophie, so [[Lenin]]s Kritik an Mach.<ref>W. I. Lenin: Materialismus und Empiriokritizismus (1909), in: Werke, Berlin 1961ff, Band 14</ref> Über die Welt wird hier in Modellannahmen gesprochen; es will den Positivisten gleich sein, wie sie beschaffen ist, sie wollen nur praktisch rechnen können. Aus Sicht der Positivisten besteht ein ganz anderes Problem auf Seiten der Materialisten: Sie bestehen in ihrer [[Widerspiegelungstheorie]] darauf, beim Beweisbaren zu bleiben und wollen das Modell einer Abbildung der materiellen Welt zum Eckpfeiler ihrer gesamten Kultur machen, doch wagen sie sich dabei in eine zutiefst idealistische Gedankenwelt vor:


Die Positivisten verabschiedeten sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts von der Abbildungstheorie. Gemeinsam mit den Empiristen gingen sie davon aus, dass der Mensch Wahnehmungen interpretieren muss. Sie wechselten jedoch wie die sogenannten Transzendentalphilosophen die vorher eingenommene Perspektive: Demnach ist das Bild, das unserer Erkenntnis vorangeht, nicht das der Außenwelt, wo sich wie in einer [[Camera obscura|camera obscura]] die Realität widerspiegelt. Auch das Auge bildet die Welt nicht ab, vielmehr ähnelt der sinnliche Eindruck des Auges eher dem, was [[Ernst Mach]] in seiner ''Analyse der Empfindungen'' skizziert. Eine Trennung in Außenwelt und Innenwelt nimmt die Person erst im Umgang mit dem vom Auge empfangenen Bild vor und zwar durch eine [[Analyse]], [[Klassifizierung|Kategorisierung]] und Interpretation der Wahrnehmungen. Die Menschen haben etwa die Empfindung einer [[Wille|willentlichen]] Anstrengung, mit der sie ihre Arme heben und sehen im selben Moment Teile des Bildes, die sie mit ihren Armen verbinden in Bewegung. Sie interpretieren diese Empfindungen jedoch als [[taktil]]e. So ordnen und verknüpfen sie die Empfindungen und entscheiden dabei, einige zum Körper gehörig zu betrachten, andere auf die Umgebung zurückzuführen. Dieselben Empfindungen könnten nach diesem Konzept aber auch gerade einem [[Traum]] entsprungen sein. Denn auch der Träumer bildet Kategorien und sieht einige Empfindungen als körperliche, andere als zur Außenwelt gehörige an.
:: ''Abbild – Grundbegriff jeder materialistischen, insbesondere der marxistisch leninistischen Erkenntnistheorie. Abbilder sind ideelle Resultate des Widerspiegelungsprozesses, in dem sich die Menschen auf der Grundlage der gesellschaftlichen Praxis die objektive Realität vermittels des gesellschaftlichen Bewusstseins in verschiedenen Formen, wie Wissenschaft, Ideologie, Moral, Kunst, Religion, geistig aneignen. Sie entstehen in einem komplizierten Prozess der Übersetzung und Umsetzung des Materiellen in Ideelles (Marx/Engels 23, 27)&nbsp;'' [...]. ''Ein Abbild ist dadurch charakterisiert, dass es von dem Abgebildeten verschieden ist, von ihm abhängig ist und mit ihm übereinstimmt.'' <ref>[[Georg Klaus]] / [[Manfred Buhr]]: Philosophisches Wörterbuch: [http://www.trend.infopartisan.net/trd0208/t220208.html Abbildtheorie], 1. Band. 11. Aufl. Verlag das europäische Buch, Berlin 1975, S. 31-33 </ref>


Diese Analyse erfolgt laut Mach unbewusst und [[Pragmatismus|pragmatisch]], d.h. der Mensch interpretiert durch die Sinnesorgane aufgenommene Daten, die ihm Vorhersagen erlauben. Seine Vorstellung davon, wie die Welt beschaffen ist, hat allerdings nur [[Modell|Modellcharakter]]. „Die Datenlage verhält sich so, als wenn die Dinge die folgende Beschaffenheit hätten...“ Der Wissenschaftler ordnet die Befunde letztlich nur „[[Denkökonomie|ökonomisch]]“: Wirkungsmechanismen, die er nicht benötigt, um eine Voraussage zu treffen, lässt er in seinem Modell außer Acht.
Wie beweist man, dass es eine [[Materie]] gibt? Wie beweist man, dass es den „[[Geist]]“ gibt? Im Wörterbuch der [[Materialismus|materialistischen]] [[Marxismus|marxistischen]] Philosophie wird dem „Geist“ durchaus kein Artikel zugestanden. Da wird Materie über den Abbildungsprozess in das „Ideelle“ „übersetzt“. Und auch das blieb am Ende gänzlich unklar formuliert: ''„Ein Abbild ist dadurch charakterisiert, dass es von dem Abgebildeten verschieden ist, von ihm abhängig ist und mit ihm übereinstimmt.“''


Viele Probleme der vorangegangenen philosophischen Debatte stellen sich bei dieser Annahme nicht mehr. Wenn es Bereiche gibt, in denen sich die Dinge nicht so verhalten, als ob sie aus Partikeln (Atomen) bestehen und wenn es Untersuchungen gibt, in denen sie eher als [[Welle (Physik)|Wellen]] auftreten, so muss der Anhänger des Positivismus sich nicht auf das eine oder andere festlegen. Vielmehr kann er, abhängig vom jeweiligen Kontext, so oder auch anders mit den [[Information|Informationen]] umgehen. So kann es seiner Meinung nach beispielsweise zweckmäßig sein, Gebäude in einem [[3D|dreidimensionalen]] Raum zu berechnen und gleichzeitig Daten von [[Weltraumteleskop]]en unter Maßgaben eines [[4D|vierdimensionalen]] Raumes zu betrachten.
=== Sprache als ein Modell der Wirklichkeit: Ludwig Wittgenstein ===


Aus Sicht der [[Marxistische Philosophie|marxistischen Philsosophie]] ist der Positivismus eine [[Bürgertum|bürgerlich]] [[Subjektivismus|subjektivistische]] Weltanschauung. Diese Auffassung formulierte etwa [[Lenin]] in seiner Kritik an Mach.<ref>W. I. Lenin: [[Materialismus und Empiriokritizismus]] (1909), in: Werke, Berlin 1961ff, Band 14</ref> Über die reale materielle Welt, die es laut Lenin zu verändern gilt, werde im Positivismus lediglich in Modellannahmen gesprochen. Die Positivisten interessierten sich nicht dafür, wie diese Welt beschaffen ist, sondern wollten nur „praktisch rechnen“.
[[Datei:Schachproblem 1921.gif|thumb|In Aussagen zu Sachverhalten zerlegbar, das Abbild einer Schachstellung (Studie von [[Alexei Alexejewitsch Troizki]] aus dem Jahr 1921, Weiß am Zug gewinnt)]]


Nach Ansicht der Positivisten hingegen erheben die marxistischen Materialisten mit ihrer [[Widerspiegelungstheorie]] einen Wahrheitsanspruch, für den sie keinen [[Beweis]] erbringen können. Sie wollen das Modell einer Abbildung der materiellen Welt zusammen mit der [[Kulturgeschichte]] als Eckpfeiler der Annäherung an die Wahrheit verstehen. Im Detail geht das nicht, so die strittige positivistische Kritik, ohne verdeckte idealistische bzw. [[Metaphysik|metapysische]] Annahmen im Materialismus. So setze der Artikel über die Grundlage der marxistischen materialistischen Philosophie im [[Philosophisches Wörterbuch der DDR|Philosophischen Wörterbuch der DDR]] die Existenz von Geist, in den das Bild der materiellen Welt hineingespiegelt wird und Materie, die gespiegelt wird, voraus. Hier ein Ausschnitt:
In einem Raum sind verschiedene [[Schach]]spiele aufgebaut. Wir bitten jemanden, nachzusehen, ob auch die in der Abbildung dargestellte Situation des Jahres 1921 darunter ist. Das ist keine unmögliche Aufgabe – in dem Raum muss sich ein Schachspiel befinden, bei dem ein schwarzer Läufer auf a8 steht, ein weißer König auf b1, ein schwarzer Bauer auf h7...; man kann vor ein beliebiges Schachbrett treten und überprüfen, ob das alles der Fall ist. Das Bild bildet mit Aussagen zu einzelnen [[Sachverhalt]]en einen komplexen Sachverhalt ab. Jede einzelne zitierte Aussage war sinnvoll, da wir wussten, was der Fall sein sollte, wenn sie wahr ist. (Dann nämlich steht auf dem ersten bezeichneten Feld tatsächlich ein schwarzer Läufer etc.) Sinnvolle Aussagen müssen dabei weder den Naturgesetzen gehorchen noch irgendeine tatsächliche Situation abbilden. Auch der Satz: „Auf dem Schachbrett steht auf jedem Feld ein weißer Bauer,“ ist sinnvoll. Das müssen demnach 64 weiße Bauern sein, und da mögen Schachspieler einwenden, dass ein Spiel nur acht weiße Bauern hat, die nicht überall hin gelangen können; dennoch ist eben das denkbar, dass etwa ein Künstler 64 weiße Bauern auf die einzelnen Felder eines Brettes verteilt. Die Aussage ist sinnvoll, gleichgültig, ob ein Schachbrett irgendwo so bestellt ist, da wir wissen, was der Fall sein soll, wenn sie wahr ist.

:''Abbild – Grundbegriff jeder materialistischen, insbesondere der [[Marxismus-Leninismus|marxistisch- leninistischen Erkenntnistheorie]]. Abbilder sind ideelle Resultate des Widerspiegelungsprozesses, in dem sich die Menschen auf der Grundlage der gesellschaftlichen Praxis die objektive Realität vermittels des gesellschaftlichen Bewusstseins in verschiedenen Formen, wie Wissenschaft, Ideologie, Moral, Kunst, Religion, geistig aneignen. Sie entstehen in einem komplizierten Prozess der Übersetzung und Umsetzung des Materiellen in Ideelles<ref>Marx/Engels 23, 27</ref>&nbsp; [...] Ein Abbild ist dadurch charakterisiert, dass es von dem Abgebildeten verschieden ist, von ihm abhängig ist und mit ihm übereinstimmt. [...] Ein Abbild ist dadurch charakterisiert, dass es von dem Abgebildeten verschieden ist, von ihm abhängig ist und mit ihm übereinstimmt.''<ref>[[Georg Klaus]] / [[Manfred Buhr]]: Philosophisches Wörterbuch: [http://www.trend.infopartisan.net/trd0208/t220208.html Abbildtheorie], 1. Band. 11. Aufl. Verlag das europäische Buch, Berlin 1975, S. 31-33 </ref>

Die [[Neomarxismus|neomarxistische Kritik]] an der [[Dogmatismus|dogmatischen]] marxistischen Erkenntnistheorie, die beispielsweise [[Antonio Gramsci]] und [[Karl Korsch]] vorbrachten, fasste die Widerspiegelungstheorie und damit den Begriff ''Abbild'' differenzierter.

=== Sprachphilosophie ===
==== Sprache als ein Modell der Wirklichkeit. Ludwig Wittgensteins Ansatz ====

[[Datei:Schachproblem 1921.gif|thumb|In Aussagen zu Sachverhalten zerlegbar, das Abbild einer Schachstellung (Studie von Alexei Alexejewitsch Troizki aus dem Jahr 1921, Weiß am Zug gewinnt)]]

[[Alexei Alexejewitsch Troizki]] formulierte 1921 folgendes Beispiel, um das Abbild einer Schachstellung zu verdeutlichen:
:''In einem Raum sind verschiedene [[Schach]]spiele aufgebaut. Wir bitten jemanden, nachzusehen, ob auch die in der Abbildung dargestellte Situation des Jahres 1921 darunter ist. Das ist keine unmögliche Aufgabe – in dem Raum muss sich ein Schachspiel befinden, bei dem ein schwarzer Läufer auf a8 steht, ein weißer König auf b1, ein schwarzer Bauer auf h7...; man kann vor ein beliebiges Schachbrett treten und überprüfen, ob das alles der Fall ist. Das Bild bildet mit Aussagen zu einzelnen [[Sachverhalt]]en einen komplexen Sachverhalt ab. Jede einzelne zitierte Aussage war sinnvoll, da wir wussten, was der Fall sein sollte, wenn sie wahr ist. (Dann nämlich steht auf dem ersten bezeichneten Feld tatsächlich ein schwarzer Läufer etc.) Sinnvolle Aussagen müssen dabei weder den Naturgesetzen gehorchen noch irgendeine tatsächliche Situation abbilden. Auch der Satz: „Auf dem Schachbrett steht auf jedem Feld ein weißer Bauer,“ ist sinnvoll. Das müssen demnach 64 weiße Bauern sein, und da mögen Schachspieler einwenden, dass ein Spiel nur acht weiße Bauern hat, die nicht überall hin gelangen können; dennoch ist eben das denkbar, dass etwa ein Künstler 64 weiße Bauern auf die einzelnen Felder eines Brettes verteilt. Die Aussage ist sinnvoll, gleichgültig, ob ein Schachbrett irgendwo so bestellt ist, da wir wissen, was der Fall sein soll, wenn sie wahr ist.''

Das Buch, in dem [[Ludwig Wittgenstein]] die Frage neu stellte, wie Abbildungen funktionieren, war sein zweites Hauptwerk ''[[Tractatus Logico Philosophicus]]'' aus dem Jahre 1922. Es ging nun nicht mehr wie in früheren Studien darum, wie das Bild der Außenwelt in unserem Bewusstsein entsteht, wo die Welt ist und wo unser Bewusstsein zu verorten ist, vielmehr fragte Wittgenstein jetzt, wieso uns ein Bild im [[Alltag|Alltagsleben]] dienen kann eine Sachlage abzubilden. Die Antwort war: Ein beliebige Bild lässt sich in Aussagen darüber zerlegen, was laut Aussagen des Bildes der Fall sein soll.


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Wittgenstein wartete mit seinem ''Tractatus'' mit zwei Überraschungen auf: Alle Abbildungen, ob bildliche oder sprachliche funktionieren in dem Maße gleich, in dem sie sinnvoll sind. Bietet das Foto, welches den Artikel [[Kölner Dom]] eröffnet, ein Abbild des Kölner Doms? Ja, da es uns erlaubt, Aussagen zu den demnach bestehenden Sachverhalten zu machen. Ist das Bild, das sich unter folgendem [[:Bild:Strasbourg Muenster.jpg|Link]] befindet, ein Bild des Kölner Doms? Nein, da der Kölner Dom zwei Türme hat, dieses Bauwerk aber nur einen – hinzu kommen noch zahlreiche andere Unterschiede, die erkennen lassen, dass es sich bei dem in Frage stehenden zweiten Bild um eines des [[Straßburger Münster]]s handelt.
[[Ludwig Wittgenstein]]s ''Tractatus Logico Philosophicus'' (1922) wurde das Buch, in dem die Frage, wie Abbildungen funktionieren, neu gestellt und dabei auf diese pragmatischen Befunde reduziert wurde. Im ''Tractatus'' ging es damit nicht mehr darum, wie das Bild der Außenwelt in unserem Bewusstsein entsteht, wo die Welt ist und wo unser Bewusstsein. Wittgenstein blieb bei der ganz anderen Frage, wieso uns ein Bild im Alltag dienen kann, eine Sachlage abzubilden. Die Antwort war: Das beliebige Bild lässt sich in Aussagen davon zerlegen, was laut Aussagen des Bildes der Fall sein soll.


Das beliebige photographische Bild taugt als Abbild, da es sich von uns in Aussagen zu angeblichen Tatsachen zerlegen lässt. Es notiert Sachverhalte, und wir können vor das Abgebildete treten und sagen, ob diese Sachverhalte der Reihe nach mit einem Vermerk „es ist der Fall“ abgehakt werden können. Sätze sind sinnvoll, wenn sie nicht [[Tautologie (Logik)|tautologisch]] (analytisch) oder metaphysisch sind. Sie müssen an der [[Wirklichkeit]] gemessen werden können, sind also ein Abbild einer – zumindest möglichen – Wirklichkeit. Also kann der Mensch die gesamte empirische Welt und zwar genau soweit, wie er sie wahrnimmt und als diese Welt identifizieren kann, mit genau solchen Aussagen zu Sachverhalten abbilden kann.
Wittgensteins ''Tractatus'' wartete im selben Moment mit zwei Überraschungen auf: Alle Abbildungen, ob bildliche oder sprachliche funktionieren, in dem Maße, in dem sie sinnvoll werden, gleich. Bietet das Foto, das den Artikel [[Kölner Dom]] eröffnet, ein Abbild des Kölner Doms? Ja, da es uns erlaubt, Aussagen zu demnach bestehenden Sachverhalten zu machen. Ist das Bild, das sich unter folgendem [[:Bild:Strasbourg Muenster.jpg|Link]] befindet, ein Bild des Kölner Doms? Nein, da der Kölner Dom zwei Türme hat, dieses Bauwerk aber nur einen – und dann können wir noch auf zahllose andere Abweichungen verweisen, die es dem Kenner erlauben, zu erkennen, dass es sich bei dem in Frage stehenden zweiten Bild um eines des [[Straßburger Münster]]s handelt.


An Wittgensteins Ausführungen verblüffte traditionelle Philosophen besonders, dass sie beliebige Abbildungen auf die Ebene von Aussagen zurückbrachten, und dass sie gleichzeitig ohne eine metaphysische Theorie zu „Geist“, „Ideen“ und „Dingen an sich“ auskamen und dennoch erklärten, wieso sprachliche Aussagen, Bilder, Tondokumente für uns als Abbilder verwendbar werden und was geschieht, wenn wir Abbilder auswerten.
Das beliebige photographische Bild taugt als Abbild, da es sich von uns in Aussagen zu angeblichen Tatsachen zerlegen lässt. Es notiert Sachverhalte und wir können vor das Abgebildete treten und sagen, ob diese Sachverhalte der Reihe nach mit einem Vermerk „es ist der Fall“ abgehakt werden können. Sätze sind sinnvoll, wenn sie nicht tautologisch (analytisch) oder metaphysisch sind. Sie müssen an der Wirklichkeit gemessen werden können, sind also ein Abbild einer – zumindest möglichen – Wirklichkeit.


Wittgenstein war davon überzeugt, dass er nun nicht nur die Antwort darauf gefunden hatte, warum Abbildungen funktionieren: nämlich weil sie auf sinnvollen Aussagen basieren. Er notierte gleichzeitig, das Projekt der Weltabbildung habe [[Logik|logische]] Grenzen, die sich in einem Nachdenken über die [[Verifikation]] von Aussagen ergaben. Aussagen sind demnach sinnvoll, solange wir wissen, nach welcher [[Methodik|Untersuchungsmethode]] wir sie für wahr oder unwahr befinden. Aussagen zu Moral und [[Kausalität]] sind nicht im selben Maße sinnvoll zu formulieren. In der Vorrede des ''Tractatus'' wie im Verlauf der Abhandlung ging es Wittgenstein entscheidend darum, diese Aussagen aus dem Nachdenken über Abbildungen auszuklammern, ihnen einen ganz anderen Stellenwert zuzuweisen.
Die größere Überraschung ist, dass wir demnach die gesamte empirische Welt und zwar genau soweit, wie wir sie wahrnehmen und als diese Welt identifizieren können, mit genau solchen Aussagen zu Sachverhalten abbilden können.


[[Datei:Platzhalter Magritte 1933-1.png|thumb|164px|Platzhalter für René Magritte, ''La condition humaine'' I (1933): Links zu Abbildungen im Internet [http://www.nga.gov/cgi-bin/pimage?68966+0+0], [http://www.abcgallery.com/M/magritte/magritte16.html]]]
Was an Wittgensteins Ausführungen verblüffen musste, war, dass sie beliebige Abbildungen auf die Ebene von Aussagen zurückbrachten, und dass sie gleichzeitig ohne eine Theorie zu „Geist“, „Ideen“ und ohne „Dinge an sich“ auskamen und dennoch erklärten, wieso sprachliche Aussagen, Bilder, Tondokumente für uns als Abbilder verwendbar werden und was geschieht, wenn wir Abbilder auswerten – etwa nach einer Person aus einer Videoüberwachung fahnden.


Weiter heißt es im ''[[Tractatus Logico-Philosophicus|Tractatus]]'':
Wittgenstein war sich gleichzeitig darüber im Klaren, dass sein Buch nicht nur die Frage klärte, warum Abbildungen funktionieren (weil sie auf sinnvollen Aussagen basieren). Er konnte im selben Moment notieren, dass das Projekt der Weltabbildung logische Grenzen hatte, die sich in einem Nachdenken über die Verifikation von Aussagen ergeben. Aussagen sind für uns sinnvoll, solange wir wissen, nach welcher Untersuchung wir sie für wahr oder unwahr befinden. Aussagen zu Moral und Kausalität sind nicht im selben Maße sinnvoll zu gestalten. In der Vorrede des ''Tractatus'' wie im Verlauf der Abhandlung ging es entscheidend darum diese Aussagen aus dem Nachdenken über Abbildungen auszuklammern, ihnen einen ganz anderen Stellenwert zuzuweisen. Hier hatten vorangegangene philosophische Projekte uneingestanden Probleme vermischt.

=== Reflexion auf Wittgensteins Spätphilosophie ===

[[Datei:Platzhalter Magritte 1933-1.png|thumb|164px|Platzhalter für René Magritte, ''La condition humaine'' I (1933): Links zu Abbildungen im Internet [http://www.nga.gov/cgi-bin/pimage?68966+0+0], [http://www.abcgallery.com/M/magritte/magritte16.html]]]


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Weshalb wir Bildern ansehen, dass sie Abbilder sind, darüber zu sprechen war einfach. Die schwierigere Frage war, wie wir die Sprache der Aussagen erlernten, mit der wir uns darüber austauschen können, inwiefern ein Bild etwas abbildet; sie sollte im Zentrum der späteren Arbeiten Wittgensteins rund um die ''[[Philosophische Untersuchungen|Philosophischen Untersuchungen]]'' (postum erstveröffentlicht 1953) stehen: Wie finden wir in die Sprache hinein? Seine Überlegungen, die er an diese Frage anknüpfte, waren pragmatisch. Er zeigte sich davon fasziniert, dass die menschliche [[Kommunikation]] funktioniert. In seinen letzten Schriften, insbesondere in ''[[Über Gewissheit]]'' (postum erstveröffentlicht 1969) schlägt er eine Differenzierung vor. Im [[Alltagsleben|Alltag]] stellen sich die meisten philosophischen Probleme nicht. Wir fänden es sogar merkwürdig, wenn jemand sie in diesem Zusammenhang erwähnte und etwa daran zweifelte, dass ein Ding, welches wir sehen, vorhanden ist. Die philosophischen Probleme erheben sich lediglich in speziellen Debatten, vorrangig in philosophischen universitären Seminaren und Fachzeitschriften. Daher handele es sich nicht um wirkliche Probleme der Menschheit, die dort erörtert werden.


Die Schwierigkeiten, die Abbildungen im Alltagsleben aufwerfen, sind anderer Natur als die philosophischen. Wichtig sind im alltäglichen Umgang mit Abbildungen [[Funktion (Mathematik)|eindeutige Abbildungsverfahren]], [[Datenkompression|datensparenden Reduktionen]] auf die zu machenden Aussagen, bequem durchsuchbare [[Grafikformat|Abbildungsformate]], Instrumentarien, die es erlauben, mit Abbildungen in den atomaren Bereich vorzudringen, Großteleskope, die es ermöglichen, präzisere Bilder des Weltalls zu liefern.
Weshalb wir Bildern ansehen, dass sie Abbilder sind, darüber zu sprechen war einfach. Die schwierigere Frage war, wie wir die Sprache der Aussagen erlernten, mit der wir uns darüber austauschen können, inwiefern ein Bild etwas abbildet; sie sollte im Zentrum der späteren Arbeiten Wittgensteins rund um die ''[[Philosophische Untersuchungen|Philosophischen Untersuchungen]]'' (postum erstveröffentlicht 1953) stehen: Wie finden wir in die Sprache hinein? Die Überlegungen, die sich an diese Frage anknüpften, blieben pragmatisch und davon fasziniert, dass unsere Kommunikation durchaus funktioniert. Wittgenstein schlägt hier in den letzten Schriften, insbesondere in ''Über Gewissheit'' (postum erstveröffentlicht 1969) eine Differenzierung vor. Im Alltag stellen sich die meisten philosophischen Probleme nicht. Wir fänden es sogar merkwürdig, wenn jemand sie im Alltag äußerte und etwa daran zweifelte, dass da steht, was wir da stehen sehen, einen Baum etwa. Die philosophischen Probleme entfalte, so der provokante Vorschlag, ihre Problematik unter ausgesuchten Argumentationsgängen in philosophischen Seminaren und Fachzeitschriften – durchaus sollte man sie nicht bereits darum schon für die fundamentalen Probleme der Menschheit erachten, sondern eben für Probleme, die genau in diesen Diskussionen folgenreich werden.


Die Problemstellungen, auf die die Philosophie verwies, haben einen benennbaren Kern: Sobald wir über Abbilder erkenntnistheoretisch nachdenken und sobald wir das Abbild und den Abbildungsprozess zu einem Abbild des Erkenntnisprozesses erheben, bringen wir in aller Regel Instanzen in unser Nachdenken hinein, die außerhalb derselben Abbilder und unserer Erkenntnis stehen: Die „Außenwelt“, das „Bewusstsein“, den „Geist“, die „Dinge an sich“, die „Ideen“, die wir von ihnen entwickeln. Das Wort Abbildung lenkt den Blick auf das Endergebnis, über das wir verfügen, auf das Bild von der Welt. Die Beziehung, die das Bild zur Welt hat, ist nie Teil des Bildes. Das Wort Abbild legt jedoch fest, dass dieses Bild eine Beziehung zur Außenwelt hat. Dies ist wissenschaftlich nicht zu ergründen, was aber nicht erheblich ist, da es für die Menschheit keine Bedeutung hat. Lediglich [[Ideologie]]n wie Materialismus oder Idealismus beziehen sich darauf.
Die Probleme, die Abbildungen im Alltag aufwerfen, sind anderer Natur als die philosophischen. Gesucht sind im alltäglichen Umgang mit Abbildungen [[Funktion (Mathematik)|eindeutige Abbildungsverfahren]], [[Datenkompression|datensparenden Reduktionen]] auf die zu machenden Aussagen, bequem durchsuchbare [[Grafikformat|Abbildungsformate]], [[Biometrie|biometrische Kennzeichen]], [[Genetischer Fingerabdruck|genetische Fingerabdrücke]], Instrumentarien, die es erlauben, mit Abbildungen in den atomaren Bereich vorzudringen, Großteleskope, die es ermöglichen, präzisere Bilder des Weltalls zu liefern.


==== Nelson Goodman. Abbild ohne Ähnlichkeit: Symboltheorie ====
Die Problemstellungen, auf die die Philosophie verwies, haben einen benennbaren Kern: Sobald wir über Abbilder erkenntnistheoretisch nachdenken und sobald wir das Abbild und den Abbildungsprozess zu einem Abbild des Erkenntnisprozesses erheben, bringen wir in aller Regel Instanzen in unser Nachdenken hinein, die außerhalb derselben Abbilder und unserer Erkenntnis stehen: Die „Außenwelt“, das „Bewusstsein“, den „Geist“, die „Dinge an sich“, die „Ideen“, die wir von ihnen entwickeln. Das Wort Abbildung lenkt den Blick auf das Endergebnis, über das wir verfügen, auf das Bild von der Welt. Die Beziehung, die das Bild zur Welt hat, ist nie Teil des Bildes. Das Wort Abbild legt jedoch gerade fest, dass dieses Bild eine Beziehung zur Außenwelt hat. Das Problem, das sich hier aufmachen lässt, ist unlösbar, aber darum noch lange nicht schon interessant. Es zog die Diskussion vor allem auf sich, wo sich Glaubensentscheidungen - die Außenwelt besteht, oder: wir wissen gar nicht wie sie wirklich aussieht, haben nur unser unvollkommenes Bild von ihr - an sie binden ließen.


In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat der [[USA|amerikanische]] Philosoph [[Nelson Goodman]] mit seinem Werk [[Sprachen der Kunst]] (SdK) der Diskussion um eine philosophische Abbildtheorie neue Impulse gegeben. Als Vertreter der [[Analytische Philosophie|analytischen Philosophie]] und [[Willard Van Orman Quine|Quine]]-Schüler entwickelte er beeinflusst von [[Charles S. Peirce]] und [[Charles W. Morris]] eine [[Symboltheorie]], mit der er Verbindungen von der Sprachphilosophie zur Kulturphilosophie [[Ernst Cassirer]]s und [[Susanne K. Langer]]s herstellte.
=== Abbild ohne Ähnlichkeit: Symboltheorie von Nelson Goodman ===


In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat [[Nelson Goodman]] mit seinem Werk [[Sprachen der Kunst]] (SdK) in der Diskussion um eine philosophische Abbildtheorie neue Impulse gesetzt. Als Vertreter der analytischen Philosophie und [[Willard Van Orman Quine|Quine]]-Schüler entwickelte er beeinflusst von [[Charles S. Peirce]] und [[Charles W. Morris]] eine Symboltheorie, mit der er Verbindungen von der Sprachphilosophie zur Kulturphilosophie [[Ernst Cassirer]]s und [[Susanne K. Langer]]s herstellte. Goodman fasst Abbilder als Symbole auf, die ein Objekt repräsentieren. Aufgrund der höchst unterschiedlichen Weisen, in der eine solche [[Repräsentation]] möglich ist, weist er die Auffassung zurück, dass [[Ähnlichkeit (Philosophie)|Ähnlichkeit]] ein Merkmal ist, durch das das Wesen eines Abbilds bestimmt werden kann. Der Zusammenhang zwischen Repräsentation und abgebildetem Objekt ist vielmehr willkürlich. Ähnlichkeit ist zudem nicht auf Abbildungen beschränkt, wie zum Beispiel die Ähnlichkeit von Zwillingen zeigt.
Goodman fasst Abbilder als Symbole auf, die ein Objekt repräsentieren. Aufgrund der höchst unterschiedlichen Weisen, in der eine solche [[Repräsentation (Philosophie)|Reräsentation]] möglich ist, weist er die Auffassung zurück, dass [[Ähnlichkeit (Philosophie)|Ähnlichkeit]] ein Merkmal ist, durch das das Wesen eines Abbilds bestimmt werden kann. Der Zusammenhang zwischen Repräsentation und abgebildetem Objekt ist vielmehr willkürlich. Ähnlichkeit ist zudem nicht auf Abbildungen beschränkt, wie zum Beispiel die Ähnlichkeit von Zwillingen zeige.
:„Tatsache ist, dass ein Bild, um einen Gegenstand repräsentieren zu können, ein Symbol für ihn sein, für ihn stehen, auf ihn Bezug nehmen muss; und dass kein Grad von Ähnlichkeit hinreicht, um die erforderliche Beziehung der Bezugnahme herzustellen. Ähnlichkeit ist für Bezugnahme auch nicht notwendig, beinahe alles kann für fast alles andere stehen. Ein Bild, das einen Gegenstand repräsentiert – ebenso wie eine Passage, die ihn beschreibt -, nimmt auf ihn Bezug und genauer noch: denotiert ihn. [[Denotation]] ist der Kern von Repräsentation und unabhängig von Ähnlichkeit.“ (SdK 17)
:„Tatsache ist, dass ein Bild, um einen Gegenstand repräsentieren zu können, ein Symbol für ihn sein, für ihn stehen, auf ihn Bezug nehmen muss; und dass kein Grad von Ähnlichkeit hinreicht, um die erforderliche Beziehung der Bezugnahme herzustellen. Ähnlichkeit ist für Bezugnahme auch nicht notwendig, beinahe alles kann für fast alles andere stehen. Ein Bild, das einen Gegenstand repräsentiert – ebenso wie eine Passage, die ihn beschreibt -, nimmt auf ihn Bezug und genauer noch: denotiert ihn. [[Denotation]] ist der Kern von Repräsentation und unabhängig von Ähnlichkeit.“<ref>SdK 17.</ref>
Nelson Goodman vertritt einen [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Konstruktivismus. Beim Sehen eines Objektes wird dieses zugleich konstruiert. Es wird eine [[Interpretation]] hergestellt (SdK 20). In Anlehnung an [[Immanuel Kant|Kant]] sagt Goodman: „Das unschuldige Auge ist blind und der jungfräuliche Geist ist leer.“ (SdK 20, siehe [[Kritik der reinen Vernunft|KrV]] B 75) Zur Darstellung von Objekten werden Symbole verwendet. Der Begriff des Symbols ist bei Goodman weit gefasst. Symbole können Wörter, Texte, Tanz, Bilder, Zeichnungen, Töne, Modelle u.a.m. sein. In sachlichen Zusammenhängen oder in Lebensbereichen wie der Kunst, den Wissenschaften oder der Mathematik bestehen Symbolsysteme. Sie tragen jeweils zur Erzeugung der Welt bei. „Die Erzeugung des Bildes ist gewöhnlich auch an der Erzeugung dessen, was bildlich dargestellt wird, beteiligt.“ (SdK 41)
Nelson Goodman vertritt einen erkenntnistheoretischen [[Konstruktivismus (Philosophie)|Konstruktivismus]]. Beim Sehen eines Objektes wird dieses zugleich konstruiert. Es wird eine [[Interpretation]] hergestellt.<ref>SdK 20</ref> In Anlehnung an [[Immanuel Kant|Kant]] postuliert Goodman:
:„Das unschuldige Auge ist blind und der jungfräuliche Geist ist leer.“ <ref>SdK 20, siehe [[Kritik der reinen Vernunft|KrV]] B 75)</ref> Der Begriff des Symbols ist bei Goodman weit gefasst. Symbole können Wörter, Texte, Tanz, Bilder, Zeichnungen, Töne, Modelle u.a.m. sein. In sachlichen Zusammenhängen oder in Lebensbereichen wie der Kunst, den Wissenschaften oder der Mathematik bestehen [[Symbolsystem]]e. Sie tragen jeweils zur Erzeugung der Welt bei.
:„Die Erzeugung des Bildes ist gewöhnlich auch an der Erzeugung dessen, was bildlich dargestellt wird, beteiligt.“<ref>SdK 41</ref>


In Hinblick auf die Bezugnahme von Repräsentation und Objekt unterscheidet Goodman zwischen Denotation und [[Exemplifikation]]. Die Denotation ist eine [[Extension und Intension|extensionale]] Bezugnahme auf ein repräsentiertes Objekt (ein Portrait, einen Sachverhalt), das existiert oder auch fiktiv sein kann. Exemplifikation bedeutet, dass ein Bild oder ein Symbol eine exemplarisch ausgewählte Sichtweise auf das Objekt vermittelt, inhaltlich also etwas Eigenes ist, das über das Dargestellte durch Interpretation hinausgeht. Denotation bezeichnet das „Was“ der Darstellung und Exemplifikation das „Wie“. Denotation deutet vom Gegenstand auf das Abbild, Exemplifikation vom Abbild auf den Gegenstand. Allerdings sind beide nicht als Umkehrung aufzufassen, weil die Exemplifikation nur die Bezugnahme auf bestimmte Eigenschaften oder Symptome betont. Eine besondere Form der Exemplifikation ist die [[Metapher|metaphorische]] Exemplifikation, die Goodman als „Ausdruck“ bezeichnet. Der Ausdruck ist ein „heimisches Merkmal“ eines Symbols. Ein Bild, das Angst ausdrückt, bezieht sich weder auf die Ängste des Malers noch auf die eines Betrachters, sondern versucht mit seinen eigenen Stilmitteln das Phänomen zu zeigen. Nicht jede Exemplifikation ist Ausdruck, aber jeder Ausdruck ist Exemplifikation. Repräsentation steht für Objekte, Ereignisse und Sachverhalte. Ausdruck steht für Gefühle, die man nicht unmittelbar exemplifizieren kann.
In Hinblick auf die Beziehung zwischen Repräsentation und Objekt unterscheidet Goodman zwischen Denotation und [[Exemplifikation]]. Die Denotation ist demzufolge eine [[Extension und Intension|extensionale]] Bezugnahme auf ein repräsentiertes Objekt - z.B. ein Portrait, einen Sachverhalt -, das existiert oder fiktiv sein kann. Exemplifikation nach Goodman bedeutet , dass ein Bild oder ein Symbol eine exemplarisch ausgewählte Sichtweise auf das Objekt vermittelt, inhaltlich also etwas Eigenes darstellt, das über das Dargestellte durch Interpretation hinausgeht. Denotation bezeichnet also das „Was“ der Darstellung und Exemplifikation das „Wie“. Denotation deutet vom Gegenstand auf das Abbild, Exemplifikation vom Abbild auf den Gegenstand. Allerdings sind beide nicht als Umkehrung aufzufassen, weil die Exemplifikation nur die Bezugnahme auf bestimmte Eigenschaften oder Symptome betont. Eine besondere Form der Exemplifikation ist die [[Metapher|metaphorische]] Exemplifikation, die Goodman als „Ausdruck“ bezeichnet. Der Ausdruck ist ein „heimisches Merkmal“ eines Symbols. Ein Bild, das Angst ausdrückt, bezieht sich weder auf die Ängste des Malers noch auf die eines Betrachters, sondern versucht mit seinen eigenen Stilmitteln das Phänomen zu zeigen. Nicht jede Exemplifikation ist Ausdruck, aber jeder Ausdruck ist Exemplifikation. Repräsentation steht für Objekte, Ereignisse und Sachverhalte. Ausdruck steht für Gefühle, die man nicht unmittelbar erklären kann.


Bilder sind keine reinen Abbilder der Wirklichkeit, sondern Modelle, die eine immer deutende Sichtweise der Realität enthalten.
Bilder sind keine reinen Abbilder der Wirklichkeit, sondern Modelle, die eine immer deutende Sichtweise der Realität enthalten.
:„Nur wenige Ausdrücke werden im populären und wissenschaftlichen Diskurs undifferenzierter gebraucht als ‚Modell’. Ein Modell ist etwas, das man bewundert oder dem man nacheifert, ein Muster, ein pauschaler Fall, ein Typ, ein Prototyp, ein Exemplar, ein Modell in Originalgröße, eine mathematische Beschreibung – nahezu alles von einer Blondine bis hin zu einer quadratischen Gleichung.“ (SdK 164)
:„Nur wenige Ausdrücke werden im populären und wissenschaftlichen Diskurs undifferenzierter gebraucht als ‚Modell’. Ein Modell ist etwas, das man bewundert oder dem man nacheifert, ein Muster, ein pauschaler Fall, ein Typ, ein Prototyp, ein Exemplar, ein Modell in Originalgröße, eine mathematische Beschreibung – nahezu alles von einer Blondine bis hin zu einer quadratischen Gleichung.“ (SdK 164)
Realistisch ist ein Bild für Goodman dann, wenn es einen Gegenstand so repräsentiert, wie man es gewohnt ist. Es kommt also nicht darauf an, dass das Bild oder Symbol möglichst viele Informationen des dargestellten Objektes widerspiegelt (SdK 44-50) Symbolsysteme können „digital“ (diskret) sein wie die Sprache oder „analog“ (kontinuierlich) wie Gemälde oder Fotos. Digitale Systeme weisen eine geringere „Dichte“ auf als analoge. (SdK 209) Soweit nicht-sprachliche Systeme dichter sind als Sprache, kann Sprache sie niemals vollständig beschreiben, sondern nur exemplifizieren. (SdK 59)
Realistisch ist ein Bild für Goodman dann, wenn es einen Gegenstand so repräsentiert, wie man es [[Gewohnheit|gewohnt]] ist. Es kommt also nicht darauf an, dass das Bild oder Symbol möglichst viele Informationen des dargestellten Objektes widerspiegelt.<SdK 44-50</ref>ref Symbolsysteme können „digital“ (diskret) sein wie die Sprache oder „analog“ (kontinuierlich) wie Gemälde oder Fotos. Digitale Systeme weisen eine geringere „Dichte“ auf als analoge. (SdK 209) Soweit nicht-sprachliche Systeme [[Dichte|dichter]] sind als Sprache, kann Sprache sie niemals vollständig beschreiben, sondern nur exemplifizieren. <ref>SdK 59</ref>


== Belege ==
== Belege ==

Version vom 13. Dezember 2009, 20:28 Uhr

Eine perspektivische Umsetzung verbindet das Abbild mit dem Gegenstand. Abbildung aus Salomon de Caus, La perspectiue (Londres: R. Field/ J. Mommart/ Brussels: R Barker, 1611).

Abbild bezeichnet ein Bild und seine Beziehung zu einem darauf abgebildeten wiedererkennbaren Gegenstand. Ein Abbild kann einen natürlichen Ursprung haben (z.B. Schatten, Spiegelbild) oder künstlich geschaffen sein (z.B. Gemälde, symbolisches Zeichen).

Die Beziehung zwischen Gegenstand und Abbild wird in der Philosophie als Abbildrelation bezeichnet. Dadurch soll das Verhältnis zwischen Sache und Bild beschrieben werden. Unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen befassen sich auf verschiedene Art mit Bildern als Untersuchungsgegenstand, oder benutzen sie als Hilfsmittel:

  • In der Mathematik ist eine Abbildung eine eindeutige Zuordnung zwischen zwei Mengen. Eine elementweise Abbildung einer Menge auf sich selbst wird identische Abbildung genannt. Falls für jede der Mengen bestimmte zusätzliche Relationen vorausgesetzt sind (z.B. wenn sie Gruppen sind), so heißt eine Abbildungen homomorph, wenn sie diese Relationen erhält. Eine homomorphe Abbildung nennt man isomorph, wenn sie eine homomorphe Umkehrabbildung besitzt, mit welcher verknüpft sie die identische Abbildung erzeugt.
  • Die Messtheorie untersucht homomorphe Abbildungen grundlegend und findet Anwendung z.B. in der Statistik.
  • Ebenfalls lassen sich Prädikate in der Logik als mathematische Abbildungen aufgefassen.
  • Materielle Abbilder werden auch in der Bildwissenschaft abgehandelt.

Philosophen haben im Rahmen der Erkenntnistheorie immer wieder gefragt, in welchem Verhältnis Urbild und Abbild zueinander stehen und aus unterschiedlichen Perspektiven Abbildtheorien darüber entwickelt, inwiefern menschliche Erkenntnis ein Abbild der Wirklichkeit ist. Abbildungen sind daher mit der Konstitution von Subjekten und Objekten verbunden.

Abbildern können religiöse oder magische Bedeutungen zugewiesen werden. Seit der Antike haben monotheistischen Religionen häufig Bilderverbote erlassen, die im Verlaufe der europäischen Geschichte immer wieder zu Auseinandersetzungen führten (siehe Bilderstreit, Bildersturm).

Als Abbilder gelten Sinneseindrücke, Wahrnehmungen oder Vorstellungen sowie auf der sprachlichen Ebene Begriffe, Urteile und Schlussfolgerungen bis hin zu Theorien. Im 20. Jahrhundert diskutierten Philosophen erneut darüber, inwiefern eine Aussage oder die Beschreibung eines Sachverhalts die Tatsachen in der Welt abbilden können. Der bereits in der Antike entstandene Meinungsunterschied zwischen Idealismus und Realismus hat Fortbestand bis in die Gegenwart.

Die Ideologiekritik befasst sich mit der gesellschaftspolitischen Bedeutung von Abbildern.

Philosophie

Antike

Materialismus, Idealismus oder Realismus
Die grundlegenden Positionen der Antike

Die Verknüpfung der Erkenntnistheorie mit einem Nachdenken über Abbildungen geht weit in die antike Philosophie zurück – erste Überlegungen finden sich schon bei Heraklit

„Der Seele Grenzen kannst du nicht ausfinden, und ob du jegliche Straße abschrittest; so tiefen Grund hat sie“[1].

Eine frühe Theorie der Abbildung entwickelten die griechischen Philosophen Leukipp und Demokrit, deren Lehre auch als Atomismus bezeichnet wird. Nach ihrer Erkenntnis werden von den realen Gegenständen ständig unsichtbare Atome oder Bilderchen (eidola) ausgesandt, die durch die Sinnesorgane in die Seele gelangen. Diese materialistischen Theorie vertraten später auch die Epikureer.[2]

Mit seinem komplexen Aufbau wurde das „Höhlengleichnis“ aus Platons siebtem Buch des Staats zur zentralen Formulierung des Problems, das entsteht, sobald man die optische Abbildung zu einer Metapher für Erkenntnis macht und darauf verweist, dass wir den Abbildungsprozess selbst nicht wahrnehmen. Platon baut dafür ein Gleichnis auf, in dem er den Abbildungsprozess komplex gestaltet und dem Wahrnehmenden entzieht: Im Mittelpunkt des Gleichnisses steht ein in einer Höhle gefesselter Mensch. Alles, was er zu sehen bekommt, sind die Schatten von Gegenständen, die sich auf der ihm gegenüberliegenden Wand der Höhle abzeichnen. Dargeboten werden ihm dabei nicht einmal die Schatten realer Dinge – er verfolgt ein inszeniertes Schattenspiel. Welche Haltung, so lautet die philosophische Frage, wird der Gekettete zu den sich an der Wand abzeichnenden Formen entwickeln? Muss er sie nicht für die realen Objekte halten? Den Ausweg aus dem Erkenntnisdilemma zeigt Platon durch sein Gleichnis. Die einzige Chance der Erkenntnis, die der Wahrnehmende hat, liegt – solange er sich aus seinen Ketten nicht befreien kann – in einem philosophischen Nachdenken. Könnte er eine korrekte Idee des Abbildungsprozesses erlangen, so könnte er durchschauen, was ihm vorgespiegelt wird. Zumindest eines kann er: ermessen, dass seine gegenwärtige Vorstellungen wenig mit der Welt, wie sie wirklich ist, zu tun haben. Entsprechend entwarf Platon ein Weltbild, in dem die sinnlichen Wahrnehmungen nur Abbildungen von Ideen liefern, die als Urbilder das Wesen der Welt ausmachen[3]. Er betrachtete den gesamten natürlichen Kosmos als Abbild des Göttlichen und die Zeit als Abbild der Ewigkeit.[4]

Hiergegen opponierte sein Schüler Aristoteles, der Platon vorhielt, dass er mit der Vorstellung der Ideen die Anzahl der Gegenstände in der Welt zumindest verdoppele. Für Aristoteles entsteht Erkenntnis nicht in einer einzelnen Wahrnehmung als sozusagen „unmittelbare“ Abbildung der Wirklichkeit, sondern in der richtigen Konstellation der jeweiligen Bedeutungsinhalte (symplokä noämaton), welche er nach bestimmen Urteilsformen miteinander in Beziehung setzte.[5] Aristoteles verarf also ein Modell, nach welchem die richtige Abbildung derWirklichkeit in der Erkenntnis des Menschen nur auf (materielle) Einwirkung der Außenwelt und affektive Reaktionen darauf zurückzuführen ist. Entscheidend für ein im aristotelischen Sinne „richtiges Abbild“ ist, dass der Verstand des Menschen die jeweiligen Sinneseindrücke in eine richtige Beziehung zueinander setzt. Aus dieser Auseinandersetzung darüber, ob es eigenständige Ideen gibt, entstand im Mittelalter der Universalienstreit.

In der Spätantike knüpfte die Stoa zwar an das naturalistische Weltbild der Atomisten an, vertrat aber wie Aristoteles einen differenzierteren Erkenntnisprozess. Die richtige Vorstellung vom Gegenstand setzt nicht nur die Umsetzung einer Sinnesreizung in Wahrnehmungen voraus, sondern auch die rationale Verarbeitung der Sinnesdaten und eine rationale Beurteilung (sygkatathesis).[6]

Mittelalter

Der Mensch als beschränktes Abbild Gottes
Christliche Einflüsse im Mittelalter

Bis in die Neuzeit blieb das Nachdenken über eine Erkenntnis mittels Abbildern ein Eckstein religiöser, idealistischer und transzendentalistischer Philosophie. Es schien plausibel, dass die sich menschliche Erkenntnis, solange sie sich auf Sinneswahrnehmungen beschränkte, Täuschungen auslieferte und zur höheren Erkenntnis – insbesondere der Gottes – nicht vordringt. Das Nachdenken über Abbild und Wirklichkeit stand für die Kluft zwischen unserer Vorstellung und der Wirklichkeit. Die Bibel lieferte die Anknüpfungen an die antike Problemstellung mit Passagen wie jener aus 1. Korinther 13 (Luthers Übersetzung von 1545):

Es müssen aufhören die Weissagungen, und auffhören die Sprachen, und das Erkenntnis selbst wird auffhören. Denn unser Wissen ist stückwerck, und unser Weissagen ist stückwerck [...] Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem tunckeln Wort, Denn aber von angesicht zu angesicht.

Der gegenwärtige Zustand fessele den Menschen als Ebenbild Gottes an eine unvollkommene Erkenntnis. Was er von sich sieht, ist nicht mehr, als was er in einem schlechten Spiegel zu sehen bekommt. Eine wahrhaftige Erkenntnis wird erst möglich, wenn der Mensch Gott gegenübersteht.

Es war vor allem Augustinus, der um 400 n.Cr. die Abbildvorstellung in einen christlichen Rahmen übertrug. Dadurch dass der Mensch über Geist und Verstand verfügt, hebt er sich von allen anderen Kreaturen ab und wird zum Ebenbild Gottes auf Erden.[7] Weil er einen freien Willen hat, ist der Mensch aber auch unvollkommen und kann aus eigener Leistung die Wahrheit nicht erkennen. Zugang zu Gott als dem Urbild alles Seienden findet er nur in der Kontemplation. Die Trinität von Sein, Liebe und Erkennen als Bild Gottes offenbart sich nur im inneren des Menschen. (De Trinitate)[8]

Die arabische, jüdische und lateinische Scholastik diskutierte viele Grundprobleme der allgemeinen Epistemologie, darunter die Frage nach dem Grund unserer Überzeugungen und ihrer Erkenntnis, vielfach unter Rückgriff auf die Metapher von Urbild und Abbild. Bereits in der Antike werden Universalien - und teilweise auch Individualbegriffe - als Ideen im göttlichen Schöpfergeist gesehen. Damit sind sowohl die Strukturen als auch die einzelnen Objekte der Realität beschreibbar als Abbilder von Urbildern im göttlichen Geiste. Nach der Vorstellung über die „absolute Einfachheit“ des göttlichen Wesens und seiner „Einzigkeit“ als ewigem und notwendigem Sein, werden diese Ideen in Gott teilweise als miteinander verbunden betrachtet. Gottes Geist gibt nach dieser Vorstellung dem begrenzten Erkenntnisvermögen die Begriffe ein, entweder spontan oder auf den Sinnen beruhend, welche Einzeldinge erkennen können, aber nicht den gsamten göttlichen Geist. Der bei Aristoteles nicht erklärte Begriff eines „aktiven Verstandes“ (intellectus agens) wird vielfach dieser Auffassung zugrunde gelegt. Auf dieser theoretischen Basis können neben der ontologischen Abhängigkeitsbeziehung auch innerhalb der Erkenntnistheorie sämtliche Begriffe als Abbilder von Urbildern im göttlichen Geiste gedeutet werden.

Spätestens sobald auch im lateinischen mittelalterlichen Westen eine genauere Kenntnis des aristotelischen Werkes vorlag, die durch arabische Übersetzungen vermittelt worden war, und sich die theologische und philosophische Diskussion akademisch professionalisiert hatte, wurde dieser Themenkreis vielfach debattiert. Zahlreiche Theologen und Philosophen sahen jetzt die menschliche Erkenntnis weniger als Abbild göttlicher, sondern eher irdischer endlicher Realität. Sie stellten die These auf, dass nichts im Intellekt ist, was nicht vordem durch die Sinne wahrgenommen worden ist. Erkenntnis bzw. Wahrheit beruhe auf einer Übereinstimmung des Intellekts mit der Sache.

Wirkungsgeschichtlich sind solche Konzepte sehr bedeutsam gewesen. Entgegen diesem oft als aristotelisch bezeichneten erkenntnistheoretischen Ansatz gingen im Spätmittelalter Theoretiker wie Meister Eckhart davon aus, dass der menschliche Geist direktes Abbild des göttlichen Intellekts ist: er sei nämlich damit vollkommen identisch, und die Umsetzung dieser Identität sei für den Menschen Ziel des geistigen Weges.[9]

Rennaissance und Neuzeit

Empirismus. Zurückbindung der Wissenschaft auf Abbildungsfunktionen
Das Auge erzeugt ein Abbild vom Gegenstand (das im Gehirn gespiegelt und wieder richtig herum gestellt werden muss), Abbildung aus James Ayscough, A Short Account of the Eye and Nature of Vision (London, 1752).

Noch im Lauf der scholastischen Debatte, vor allem aber in der Renaissance wagten es Philosophen, sich von augustinischen Dogmen zu lösen und das bekannte Nachdenken über die Unzulänglichkeit der Abbilder umzuwenden. Mit dem Aufkommen der mit Mathematik betriebenen perspektivischen Malerei wie mit dem Ausbau der Naturwissenschaften, wurde es in einer Wendung und Aneignung der bestehenden Debatte interessant, gerade eine Welterkenntnis zu propagieren, die mit der Sicherheit von Abbildungsprozessen hantierte. Sinnesorgane wurden seziert, man experimentierte mit optischen Linsen und Kameras, die perfekte Bilder der Außenwelt in Innenräume hineinprojizierten und baute die gesamte empiristische, mit den modernen Naturwissenschaften einhergehende Philosophie auf einem – gegenüber dem platonischen radikal gestrafften – Abbildungsmodell auf:

Es gibt diesem Modell nach eine Außenwelt. Wir verfügen über Sinnesorgane, um sie wahrzunehmen. Unsere Organe erzeugen Sinneseindrücke, Bilder der Welt in unserem Bewusstsein. Wir müssen demnach Instrumente entwickeln, mit denen wir weit perfektere Abbildungen der Welt zustande bringen: Thermometer, Barometer, Teleskope, Mikroskope – ein Instrumentarium, mit dem wir unsere Sinneswahrnehmungen auf den Makro- und Mikrokosmos ausdehnen.

Heikel wird der Erkenntnisprozess, so die Empiristen, wenn er „verunreinigt“ wird, und wenn „irrige Vorstellungen“ in ihn eindringen. Schon Francis Bacon warnte vor falschen Idolen, die zu Trugbildern werden. Die Erkenntnistheorie des Empirismus begreift die Seele und den Verstand als tabula rasa, als eine leere Tafel, auf der sich durch sinnliche Wahrnehmungen Abbilder der Wirklichkeit gewissermaßen abzeichnen. John Locke etwa beschrieb den Verstand in An Essay concerning Humane Understanding 1690 (Essay über die menschliche Verständigung) als „empty cabinet“, „sheet of blanc paper“ (weißes Blatt Papier) oder „waxed tablet“[10], auf denen sich Abbilder der Gegenstände einprägen. George Berkeley entwickelte eine Abbildtheorie, nach welcher er Erkenntnis als „ideas, imprinted on the senses by the Author of Nature“ auffasst.[11]

Unsere Fähigkeit, neue Dinge zu erfinden, beruht demzufolge darauf, dass wir zwar aus Sinneseindrücken passiv zu Ideen gelangen, diese aber – so John Locke – zu neuen Ideen zusammensetzen können. Unser gesamtes Denken geschehe in einer „association of Ideas“, einer fortlaufenden Verknüpfung von Ideen. Gelangten wir dabei zu irrigen Vorstellungen, so könnten wir alle möglichen abergläubischen Vorstellungen entwickeln.

Gegenüber dem Empirismus baute sich im Lauf des 17. und 18. Jahrhunderts eine neue Position idealistischer Philosophie auf, der Rationalismus Descartes' und Leibniz', die das empiristische Erkenntnismodell in ihr Denken integrierten:[12] Wenn das, womit wir umehen, Sinnesdaten sind und wenn wir, wie die Empiristen behaupteten, unsere Ideen aus einer Kombination von Sinnesdaten gewinnen, so mussten die Vertreter des Empirismus selbst zugeben, dass sie von dem, wovon ihre Erkenntnis ausging, der Außenwelt, letztlich keine Erkenntnis erlangen konnten. Sie verarbeiteten lediglich Sinnesdaten. Die Dinge, die wir sehen, sind nicht die „Dinge an sich“ und das, was wir mit den Konzepten tun, unser Verknüpfen und Kombinieren, ist selbst nicht Teil der auf Wahrnehmungen reduzierbaren Welt. Schon nach Descartes ist es ein Irrtum anzunehmen, zwischen Gegenstand und Vorstellung gäbe es eine Ähnlichkeit (Med. III) oder sogar Übereinstimmung. Die sinnlichen Impulse sind dunkel und unscharf und werden erst klar und unterscheidbar durch den Verstand.

Eine Hinwendung auf das erkennende Subjekt war die Folge; bei Locke hatte sie sich bereits angebahnt, wenn er von der „Verknüpfung von Ideen“ als dem letztendlichen Erkenntnisprozess ausging. Sein Hauptwerk behandelt das „menschliche Verstehen“, er befasst sich nicht mit der Außenwelt. So werden nach Kant Erkenntnisbilder durch die produktive Einbildungskraft als Teil des aktiven Verstandes erzeugt.[13] Ein direkter Rückschluss auf die äußere Wirklichkeit ist dadurch jedoch nicht möglich.

Denis Diderot, französischer Gelehrter der Aufklärung und Gründer des ersten Universallexikons (Cyclopaedia, or Universal Dictionary of the Arts and Sciences, belegte im Anschluss an Dècartes die rationalistische These, dass die Erkenntnis der Realität lediglich durch wissenschaftliche Experimente möglich sei.

Der deutschstämmige Philosoph der französischen Aufklärung Holbach, der atheistische Positionen vertrat, entwickelte ein mechanistisches Weltbild und legte ein deterministisches Konzept über die Wirklichkeit in Bezug auf den Menschen vor.

Ebenfalls im 18. Jahrhundert formulierte der schottische Historiker und Philosoph David Hume das später so bezeichnete Humes Gesetz, wonach sich aus Aussagen über die Wirklichkeit, keine Anhaltspunkte über Ethik und Moral ableiten lassen. Für Hume besteht der menschliche Geist aus Vernunft und Wille. Während die Vernunft eine Übereinstimmung von Überzeugung und Wirklichkeit, d.h. Wahrheit anstrebt, ist der Wille darauf ausgerichtet, die Wirklichkeit nach den Vorstellungen und Wünschen des Individuums zu beeinflussen. Hume nahm an, Wille und Vernunft seien streng zu trennen. Während ersterer den Menschen motiviere, nicht aber zur Erkenntnis der Wirklichkeit führe, strebe allein die Vernunft nach Wahrheit und Wissen.

19. und 20. Jahrhundert

Transzendentalphilosophie, Materialismus und Positivismus

Das philosophische Spektrum spaltete sich im 19. Jahrhundert in weiter differenzierte Positionen auf. Vertreter der transzendentalphilosophischen/idealistischen Tradition bestritten die Möglichkeit einer Abbildungsbeziehung überhaupt (Neukantianismus, Husserl), weil sich die tatsächliche Beschaffenheit einer dem Menschen externen Wirklichkeit dessen Erkenntnisvermögen entziehe. Die empiristischen/materialistischen Schulen entwarfen ebenso wie der Kritische Realismus (Külpe, Nicolai Hartmann) Abbildungstheorien, die zumindest strukturelle (isomorphe) Entsprechungen von Realität und Bewusstsein annahmen. Der Neuling in dieser Vielfalt war die positivistische Denkrichtung, deren Protagonisten sich auf die Analyse der physiologischen und psychologischen Gegebenheiten konzentrierten.

Der Komplex bildlicher Empfindungen (der Einfachheit halber mit nur einem Auge gesehen). Abbildung aus Ernst Mach, Die Analyse der Empfindungen (1900), S. 15.

Die Positivisten verabschiedeten sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts von der Abbildungstheorie. Gemeinsam mit den Empiristen gingen sie davon aus, dass der Mensch Wahnehmungen interpretieren muss. Sie wechselten jedoch wie die sogenannten Transzendentalphilosophen die vorher eingenommene Perspektive: Demnach ist das Bild, das unserer Erkenntnis vorangeht, nicht das der Außenwelt, wo sich wie in einer camera obscura die Realität widerspiegelt. Auch das Auge bildet die Welt nicht ab, vielmehr ähnelt der sinnliche Eindruck des Auges eher dem, was Ernst Mach in seiner Analyse der Empfindungen skizziert. Eine Trennung in Außenwelt und Innenwelt nimmt die Person erst im Umgang mit dem vom Auge empfangenen Bild vor und zwar durch eine Analyse, Kategorisierung und Interpretation der Wahrnehmungen. Die Menschen haben etwa die Empfindung einer willentlichen Anstrengung, mit der sie ihre Arme heben und sehen im selben Moment Teile des Bildes, die sie mit ihren Armen verbinden in Bewegung. Sie interpretieren diese Empfindungen jedoch als taktile. So ordnen und verknüpfen sie die Empfindungen und entscheiden dabei, einige zum Körper gehörig zu betrachten, andere auf die Umgebung zurückzuführen. Dieselben Empfindungen könnten nach diesem Konzept aber auch gerade einem Traum entsprungen sein. Denn auch der Träumer bildet Kategorien und sieht einige Empfindungen als körperliche, andere als zur Außenwelt gehörige an.

Diese Analyse erfolgt laut Mach unbewusst und pragmatisch, d.h. der Mensch interpretiert durch die Sinnesorgane aufgenommene Daten, die ihm Vorhersagen erlauben. Seine Vorstellung davon, wie die Welt beschaffen ist, hat allerdings nur Modellcharakter. „Die Datenlage verhält sich so, als wenn die Dinge die folgende Beschaffenheit hätten...“ Der Wissenschaftler ordnet die Befunde letztlich nur „ökonomisch“: Wirkungsmechanismen, die er nicht benötigt, um eine Voraussage zu treffen, lässt er in seinem Modell außer Acht.

Viele Probleme der vorangegangenen philosophischen Debatte stellen sich bei dieser Annahme nicht mehr. Wenn es Bereiche gibt, in denen sich die Dinge nicht so verhalten, als ob sie aus Partikeln (Atomen) bestehen und wenn es Untersuchungen gibt, in denen sie eher als Wellen auftreten, so muss der Anhänger des Positivismus sich nicht auf das eine oder andere festlegen. Vielmehr kann er, abhängig vom jeweiligen Kontext, so oder auch anders mit den Informationen umgehen. So kann es seiner Meinung nach beispielsweise zweckmäßig sein, Gebäude in einem dreidimensionalen Raum zu berechnen und gleichzeitig Daten von Weltraumteleskopen unter Maßgaben eines vierdimensionalen Raumes zu betrachten.

Aus Sicht der marxistischen Philsosophie ist der Positivismus eine bürgerlich subjektivistische Weltanschauung. Diese Auffassung formulierte etwa Lenin in seiner Kritik an Mach.[14] Über die reale materielle Welt, die es laut Lenin zu verändern gilt, werde im Positivismus lediglich in Modellannahmen gesprochen. Die Positivisten interessierten sich nicht dafür, wie diese Welt beschaffen ist, sondern wollten nur „praktisch rechnen“.

Nach Ansicht der Positivisten hingegen erheben die marxistischen Materialisten mit ihrer Widerspiegelungstheorie einen Wahrheitsanspruch, für den sie keinen Beweis erbringen können. Sie wollen das Modell einer Abbildung der materiellen Welt zusammen mit der Kulturgeschichte als Eckpfeiler der Annäherung an die Wahrheit verstehen. Im Detail geht das nicht, so die strittige positivistische Kritik, ohne verdeckte idealistische bzw. metapysische Annahmen im Materialismus. So setze der Artikel über die Grundlage der marxistischen materialistischen Philosophie im Philosophischen Wörterbuch der DDR die Existenz von Geist, in den das Bild der materiellen Welt hineingespiegelt wird und Materie, die gespiegelt wird, voraus. Hier ein Ausschnitt:

Abbild – Grundbegriff jeder materialistischen, insbesondere der marxistisch- leninistischen Erkenntnistheorie. Abbilder sind ideelle Resultate des Widerspiegelungsprozesses, in dem sich die Menschen auf der Grundlage der gesellschaftlichen Praxis die objektive Realität vermittels des gesellschaftlichen Bewusstseins in verschiedenen Formen, wie Wissenschaft, Ideologie, Moral, Kunst, Religion, geistig aneignen. Sie entstehen in einem komplizierten Prozess der Übersetzung und Umsetzung des Materiellen in Ideelles[15]  [...] Ein Abbild ist dadurch charakterisiert, dass es von dem Abgebildeten verschieden ist, von ihm abhängig ist und mit ihm übereinstimmt. [...] Ein Abbild ist dadurch charakterisiert, dass es von dem Abgebildeten verschieden ist, von ihm abhängig ist und mit ihm übereinstimmt.[16]

Die neomarxistische Kritik an der dogmatischen marxistischen Erkenntnistheorie, die beispielsweise Antonio Gramsci und Karl Korsch vorbrachten, fasste die Widerspiegelungstheorie und damit den Begriff Abbild differenzierter.

Sprachphilosophie

Sprache als ein Modell der Wirklichkeit. Ludwig Wittgensteins Ansatz

In Aussagen zu Sachverhalten zerlegbar, das Abbild einer Schachstellung (Studie von Alexei Alexejewitsch Troizki aus dem Jahr 1921, Weiß am Zug gewinnt)

Alexei Alexejewitsch Troizki formulierte 1921 folgendes Beispiel, um das Abbild einer Schachstellung zu verdeutlichen:

In einem Raum sind verschiedene Schachspiele aufgebaut. Wir bitten jemanden, nachzusehen, ob auch die in der Abbildung dargestellte Situation des Jahres 1921 darunter ist. Das ist keine unmögliche Aufgabe – in dem Raum muss sich ein Schachspiel befinden, bei dem ein schwarzer Läufer auf a8 steht, ein weißer König auf b1, ein schwarzer Bauer auf h7...; man kann vor ein beliebiges Schachbrett treten und überprüfen, ob das alles der Fall ist. Das Bild bildet mit Aussagen zu einzelnen Sachverhalten einen komplexen Sachverhalt ab. Jede einzelne zitierte Aussage war sinnvoll, da wir wussten, was der Fall sein sollte, wenn sie wahr ist. (Dann nämlich steht auf dem ersten bezeichneten Feld tatsächlich ein schwarzer Läufer etc.) Sinnvolle Aussagen müssen dabei weder den Naturgesetzen gehorchen noch irgendeine tatsächliche Situation abbilden. Auch der Satz: „Auf dem Schachbrett steht auf jedem Feld ein weißer Bauer,“ ist sinnvoll. Das müssen demnach 64 weiße Bauern sein, und da mögen Schachspieler einwenden, dass ein Spiel nur acht weiße Bauern hat, die nicht überall hin gelangen können; dennoch ist eben das denkbar, dass etwa ein Künstler 64 weiße Bauern auf die einzelnen Felder eines Brettes verteilt. Die Aussage ist sinnvoll, gleichgültig, ob ein Schachbrett irgendwo so bestellt ist, da wir wissen, was der Fall sein soll, wenn sie wahr ist.

Das Buch, in dem Ludwig Wittgenstein die Frage neu stellte, wie Abbildungen funktionieren, war sein zweites Hauptwerk Tractatus Logico Philosophicus aus dem Jahre 1922. Es ging nun nicht mehr wie in früheren Studien darum, wie das Bild der Außenwelt in unserem Bewusstsein entsteht, wo die Welt ist und wo unser Bewusstsein zu verorten ist, vielmehr fragte Wittgenstein jetzt, wieso uns ein Bild im Alltagsleben dienen kann eine Sachlage abzubilden. Die Antwort war: Ein beliebige Bild lässt sich in Aussagen darüber zerlegen, was laut Aussagen des Bildes der Fall sein soll.

2.1 Wir machen uns Bilder der Tatsachen.
2.12 Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit
2.19 Das logische Bild kann die Welt abbilden.
2.203 Das Bild enthält die Möglichkeit der Sachlage, die es darstellt.
3 Das logische Bild der Tatsache ist der Gedanke.
3.1 Im Satz drückt sich der Gedanke sinnlich wahrnehmbar aus.
4.01 Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit
4.031 Im Satz wird gleichsam eine Sachlage probeweise zusammengestellt.[17]

Wittgenstein wartete mit seinem Tractatus mit zwei Überraschungen auf: Alle Abbildungen, ob bildliche oder sprachliche funktionieren in dem Maße gleich, in dem sie sinnvoll sind. Bietet das Foto, welches den Artikel Kölner Dom eröffnet, ein Abbild des Kölner Doms? Ja, da es uns erlaubt, Aussagen zu den demnach bestehenden Sachverhalten zu machen. Ist das Bild, das sich unter folgendem Link befindet, ein Bild des Kölner Doms? Nein, da der Kölner Dom zwei Türme hat, dieses Bauwerk aber nur einen – hinzu kommen noch zahlreiche andere Unterschiede, die erkennen lassen, dass es sich bei dem in Frage stehenden zweiten Bild um eines des Straßburger Münsters handelt.

Das beliebige photographische Bild taugt als Abbild, da es sich von uns in Aussagen zu angeblichen Tatsachen zerlegen lässt. Es notiert Sachverhalte, und wir können vor das Abgebildete treten und sagen, ob diese Sachverhalte der Reihe nach mit einem Vermerk „es ist der Fall“ abgehakt werden können. Sätze sind sinnvoll, wenn sie nicht tautologisch (analytisch) oder metaphysisch sind. Sie müssen an der Wirklichkeit gemessen werden können, sind also ein Abbild einer – zumindest möglichen – Wirklichkeit. Also kann der Mensch die gesamte empirische Welt und zwar genau soweit, wie er sie wahrnimmt und als diese Welt identifizieren kann, mit genau solchen Aussagen zu Sachverhalten abbilden kann.

An Wittgensteins Ausführungen verblüffte traditionelle Philosophen besonders, dass sie beliebige Abbildungen auf die Ebene von Aussagen zurückbrachten, und dass sie gleichzeitig ohne eine metaphysische Theorie zu „Geist“, „Ideen“ und „Dingen an sich“ auskamen und dennoch erklärten, wieso sprachliche Aussagen, Bilder, Tondokumente für uns als Abbilder verwendbar werden und was geschieht, wenn wir Abbilder auswerten.

Wittgenstein war davon überzeugt, dass er nun nicht nur die Antwort darauf gefunden hatte, warum Abbildungen funktionieren: nämlich weil sie auf sinnvollen Aussagen basieren. Er notierte gleichzeitig, das Projekt der Weltabbildung habe logische Grenzen, die sich in einem Nachdenken über die Verifikation von Aussagen ergaben. Aussagen sind demnach sinnvoll, solange wir wissen, nach welcher Untersuchungsmethode wir sie für wahr oder unwahr befinden. Aussagen zu Moral und Kausalität sind nicht im selben Maße sinnvoll zu formulieren. In der Vorrede des Tractatus wie im Verlauf der Abhandlung ging es Wittgenstein entscheidend darum, diese Aussagen aus dem Nachdenken über Abbildungen auszuklammern, ihnen einen ganz anderen Stellenwert zuzuweisen.

Platzhalter für René Magritte, La condition humaine I (1933): Links zu Abbildungen im Internet [1], [2]

Weiter heißt es im Tractatus:

2.151 Die Form der Abbildung ist die Möglichkeit, dass sich die Dinge so zueinander verhalten, wie die Elemente des Bildes.
2.1511 Das Bild ist  s o  mit der Wirklichkeit verknüpft; es reicht bis zu ihr.
2.1512 Es ist wie ein Masstab an die Wirklichkeit angelegt.
2.15121 Nur die äußersten Punkte der Teilstriche  b e r ü h r e n  den zu messenden Gegenstand. [18]

Weshalb wir Bildern ansehen, dass sie Abbilder sind, darüber zu sprechen war einfach. Die schwierigere Frage war, wie wir die Sprache der Aussagen erlernten, mit der wir uns darüber austauschen können, inwiefern ein Bild etwas abbildet; sie sollte im Zentrum der späteren Arbeiten Wittgensteins rund um die Philosophischen Untersuchungen (postum erstveröffentlicht 1953) stehen: Wie finden wir in die Sprache hinein? Seine Überlegungen, die er an diese Frage anknüpfte, waren pragmatisch. Er zeigte sich davon fasziniert, dass die menschliche Kommunikation funktioniert. In seinen letzten Schriften, insbesondere in Über Gewissheit (postum erstveröffentlicht 1969) schlägt er eine Differenzierung vor. Im Alltag stellen sich die meisten philosophischen Probleme nicht. Wir fänden es sogar merkwürdig, wenn jemand sie in diesem Zusammenhang erwähnte und etwa daran zweifelte, dass ein Ding, welches wir sehen, vorhanden ist. Die philosophischen Probleme erheben sich lediglich in speziellen Debatten, vorrangig in philosophischen universitären Seminaren und Fachzeitschriften. Daher handele es sich nicht um wirkliche Probleme der Menschheit, die dort erörtert werden.

Die Schwierigkeiten, die Abbildungen im Alltagsleben aufwerfen, sind anderer Natur als die philosophischen. Wichtig sind im alltäglichen Umgang mit Abbildungen eindeutige Abbildungsverfahren, datensparenden Reduktionen auf die zu machenden Aussagen, bequem durchsuchbare Abbildungsformate, Instrumentarien, die es erlauben, mit Abbildungen in den atomaren Bereich vorzudringen, Großteleskope, die es ermöglichen, präzisere Bilder des Weltalls zu liefern.

Die Problemstellungen, auf die die Philosophie verwies, haben einen benennbaren Kern: Sobald wir über Abbilder erkenntnistheoretisch nachdenken und sobald wir das Abbild und den Abbildungsprozess zu einem Abbild des Erkenntnisprozesses erheben, bringen wir in aller Regel Instanzen in unser Nachdenken hinein, die außerhalb derselben Abbilder und unserer Erkenntnis stehen: Die „Außenwelt“, das „Bewusstsein“, den „Geist“, die „Dinge an sich“, die „Ideen“, die wir von ihnen entwickeln. Das Wort Abbildung lenkt den Blick auf das Endergebnis, über das wir verfügen, auf das Bild von der Welt. Die Beziehung, die das Bild zur Welt hat, ist nie Teil des Bildes. Das Wort Abbild legt jedoch fest, dass dieses Bild eine Beziehung zur Außenwelt hat. Dies ist wissenschaftlich nicht zu ergründen, was aber nicht erheblich ist, da es für die Menschheit keine Bedeutung hat. Lediglich Ideologien wie Materialismus oder Idealismus beziehen sich darauf.

Nelson Goodman. Abbild ohne Ähnlichkeit: Symboltheorie

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat der amerikanische Philosoph Nelson Goodman mit seinem Werk Sprachen der Kunst (SdK) der Diskussion um eine philosophische Abbildtheorie neue Impulse gegeben. Als Vertreter der analytischen Philosophie und Quine-Schüler entwickelte er beeinflusst von Charles S. Peirce und Charles W. Morris eine Symboltheorie, mit der er Verbindungen von der Sprachphilosophie zur Kulturphilosophie Ernst Cassirers und Susanne K. Langers herstellte.

Goodman fasst Abbilder als Symbole auf, die ein Objekt repräsentieren. Aufgrund der höchst unterschiedlichen Weisen, in der eine solche Reräsentation möglich ist, weist er die Auffassung zurück, dass Ähnlichkeit ein Merkmal ist, durch das das Wesen eines Abbilds bestimmt werden kann. Der Zusammenhang zwischen Repräsentation und abgebildetem Objekt ist vielmehr willkürlich. Ähnlichkeit ist zudem nicht auf Abbildungen beschränkt, wie zum Beispiel die Ähnlichkeit von Zwillingen zeige.

„Tatsache ist, dass ein Bild, um einen Gegenstand repräsentieren zu können, ein Symbol für ihn sein, für ihn stehen, auf ihn Bezug nehmen muss; und dass kein Grad von Ähnlichkeit hinreicht, um die erforderliche Beziehung der Bezugnahme herzustellen. Ähnlichkeit ist für Bezugnahme auch nicht notwendig, beinahe alles kann für fast alles andere stehen. Ein Bild, das einen Gegenstand repräsentiert – ebenso wie eine Passage, die ihn beschreibt -, nimmt auf ihn Bezug und genauer noch: denotiert ihn. Denotation ist der Kern von Repräsentation und unabhängig von Ähnlichkeit.“[19]

Nelson Goodman vertritt einen erkenntnistheoretischen Konstruktivismus. Beim Sehen eines Objektes wird dieses zugleich konstruiert. Es wird eine Interpretation hergestellt.[20] In Anlehnung an Kant postuliert Goodman:

„Das unschuldige Auge ist blind und der jungfräuliche Geist ist leer.“ [21] Der Begriff des Symbols ist bei Goodman weit gefasst. Symbole können Wörter, Texte, Tanz, Bilder, Zeichnungen, Töne, Modelle u.a.m. sein. In sachlichen Zusammenhängen oder in Lebensbereichen wie der Kunst, den Wissenschaften oder der Mathematik bestehen Symbolsysteme. Sie tragen jeweils zur Erzeugung der Welt bei.
„Die Erzeugung des Bildes ist gewöhnlich auch an der Erzeugung dessen, was bildlich dargestellt wird, beteiligt.“[22]

In Hinblick auf die Beziehung zwischen Repräsentation und Objekt unterscheidet Goodman zwischen Denotation und Exemplifikation. Die Denotation ist demzufolge eine extensionale Bezugnahme auf ein repräsentiertes Objekt - z.B. ein Portrait, einen Sachverhalt -, das existiert oder fiktiv sein kann. Exemplifikation nach Goodman bedeutet , dass ein Bild oder ein Symbol eine exemplarisch ausgewählte Sichtweise auf das Objekt vermittelt, inhaltlich also etwas Eigenes darstellt, das über das Dargestellte durch Interpretation hinausgeht. Denotation bezeichnet also das „Was“ der Darstellung und Exemplifikation das „Wie“. Denotation deutet vom Gegenstand auf das Abbild, Exemplifikation vom Abbild auf den Gegenstand. Allerdings sind beide nicht als Umkehrung aufzufassen, weil die Exemplifikation nur die Bezugnahme auf bestimmte Eigenschaften oder Symptome betont. Eine besondere Form der Exemplifikation ist die metaphorische Exemplifikation, die Goodman als „Ausdruck“ bezeichnet. Der Ausdruck ist ein „heimisches Merkmal“ eines Symbols. Ein Bild, das Angst ausdrückt, bezieht sich weder auf die Ängste des Malers noch auf die eines Betrachters, sondern versucht mit seinen eigenen Stilmitteln das Phänomen zu zeigen. Nicht jede Exemplifikation ist Ausdruck, aber jeder Ausdruck ist Exemplifikation. Repräsentation steht für Objekte, Ereignisse und Sachverhalte. Ausdruck steht für Gefühle, die man nicht unmittelbar erklären kann.

Bilder sind keine reinen Abbilder der Wirklichkeit, sondern Modelle, die eine immer deutende Sichtweise der Realität enthalten.

„Nur wenige Ausdrücke werden im populären und wissenschaftlichen Diskurs undifferenzierter gebraucht als ‚Modell’. Ein Modell ist etwas, das man bewundert oder dem man nacheifert, ein Muster, ein pauschaler Fall, ein Typ, ein Prototyp, ein Exemplar, ein Modell in Originalgröße, eine mathematische Beschreibung – nahezu alles von einer Blondine bis hin zu einer quadratischen Gleichung.“ (SdK 164)

Realistisch ist ein Bild für Goodman dann, wenn es einen Gegenstand so repräsentiert, wie man es gewohnt ist. Es kommt also nicht darauf an, dass das Bild oder Symbol möglichst viele Informationen des dargestellten Objektes widerspiegelt.<SdK 44-50</ref>ref Symbolsysteme können „digital“ (diskret) sein wie die Sprache oder „analog“ (kontinuierlich) wie Gemälde oder Fotos. Digitale Systeme weisen eine geringere „Dichte“ auf als analoge. (SdK 209) Soweit nicht-sprachliche Systeme dichter sind als Sprache, kann Sprache sie niemals vollständig beschreiben, sondern nur exemplifizieren. [23]

Belege

  1. (Fragm. B 45) „er behauptete, dass die Sehkraft täuscht“ (Fragm. 55), und „sich die Leute im Kennenlernen der sichtbaren Dinge irren“ (Fragm. 56)
  2. Lukrez: De rerum naturae IV
  3. Platon: Phaidros, 250 b
  4. Platon: Timaios, 29b und 37c
  5. Vgl. J. Nieraad: Art. Abbildtheorie, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, 1-3
  6. Vgl. J. Nieraad: Art. Abbildtheorie, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, 1-3
  7. vgl. Gen. 1, 26/27
  8. siehe auch: Augustins Gegenüberstellung von „Mundus intelligiblis“ (Welt der Vernunft), in der es Wahrheit gibt, und „Mundus sensiblis“ (Welt der Sinne), die ein Abbild der göttlich bestimmten Welt des Geistes ist und in der man der Wahrheit nur nahe kommt, in der Abhandlung Contra Academicos, Kap. 3
  9. Vgl. zum Beispiel Mauritius Wilde: Das neue Bild vom Gottesbild, Bild und Theologie bei Meister Eckhart. Freiburg/Schweiz Univ.-Verlag 2000, ISBN 3-7278-1298-2. Wilde analysiert Eckharts anschauliche Illustrationen zum Beispiel anhand von Spiegelbildern und befasst sich kurz mit einigen seiner Vorläufer, zunächst innerhalb der Dominikanerschule. Zum theoretischen Hintergrund insbesondere: Burkhard Mojsisch: Meister Eckhart, Analogie, Univozität und Einheit. Meiner, Hamburg 1983
  10. John Locke: An Essay concerning human understanding. I, 1, 15; II, 1, 1;
  11. Berkely: Principles of human knowledge. I, 33.
  12. René Descartes' Theorie der visuellen Wahrnehmung
  13. KrV B 179-182
  14. W. I. Lenin: Materialismus und Empiriokritizismus (1909), in: Werke, Berlin 1961ff, Band 14
  15. Marx/Engels 23, 27
  16. Georg Klaus / Manfred Buhr: Philosophisches Wörterbuch: Abbildtheorie, 1. Band. 11. Aufl. Verlag das europäische Buch, Berlin 1975, S. 31-33
  17. Wittgenstein Tractatus (1922)
  18. Wittgenstein Tractatus (1922)
  19. SdK 17.
  20. SdK 20
  21. SdK 20, siehe KrV B 75)
  22. SdK 41
  23. SdK 59

Literatur

Primärliteratur

  • Platon, Der Staat, hrsg. von Andreas Schubert, (Paderborn, 1995), ISBN 3-8252-1866-x
  • John Locke: An Essay concerning Humane Understanding (London: Printed for Tho. Basset/ Sold by Edw. Mory, 1690). e-text ILT
  • Immanuel Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können (Riga: Fr. Hartknoch, 1783). Bibliotheca Augustana e-Text
  • Ernst Mach, Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zu Psychischen [1900], 9 Auflage (Jena, 1922).
  • Ludwig Wittgenstein, Tractatus Logico-Philosophicus [1922] dt./ engl. (London Routledge & Keagan, 1955).
  • Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen dt./ engl. übers. G.E.M. Anschombe. (Oxford: Blackwell 1953).
  • Ludwig Wittgenstein, Über Gewissheit. On certainty, herausgegeben von G. E. M. Anscombe und G. H. von Wright (Oxford: Blackwell, 1969).
  • Georg Klaus/Manfred Buhr (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. 1. Band. 11. Aufl. Verlag das europäische Buch, Berlin 1975, S. 31-33, ISBN 3-920-303-35-0
  • Nelson Goodman: Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie, Suhrkamp, Frankfurt 1997.

Weiterführende Literatur

  • Paul Naredi-Rainer (Hrsg.): Sinnbild und Abbild. Zur Funktion des Bildes. Universität Innsbruck, Innsbruck 1994, ISBN 3-901249-09-5 (Kunstgeschichtliche Studien Innsbruck N.F. Bd. 1)
  • Alois Drexler: Abbildung und Identität. Zum Begriff der Intelligibilität. Lang, Berlin u.a. 2000, ISBN 3-631-35741-9
  • Bernhard Waldenfels: Spiegel, Spur und Bild. Zur Genese des Bildes. Salon, Köln 2003, ISBN 3-89770-033-6 (édition questions Bd. 8)
  • P. W. Simonow: Widerspiegelungstheorie und Psychophysiologie der Emotionen. Verlag Volk und Gesundheit, Berlin/Ost 1975.
Wiktionary: Abbild – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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